Priester hält Blutreliquie in der Hand.

ORF/GA&A

Blutige Wunder

Eine „kreuz und quer“ -Dokumentation hinterfragt Blutwunder bei Heiligenfiguren in Neapel. Im Anschluss beschäftigt sich ein Dokumentarfilm mit dem Gebet als zentraler Glaubenspraxis in fast allen Religionen.

„Neapel - Stadt des Heiligen Blutes“

Das nächste Jahr wird ein gutes Jahr für Neapel, so sagt der Volksglaube. Das Blut des heiligen Januarius (italienisch: San Gennaro), des Stadtheiligen Neapels, hat sich pünktlich an seinem Namensfest, am 19. September 2012, bei einer Prozession im Dom von Neapel verflüssigt. Zur Erleichterung der Gläubigen, die jedes Jahr gespannt auf des Wunder warten. Denn immer dann, wenn sich das Blut nicht verflüssige, so heißt es, werde Unheil über die Stadt kommen. Die Blutverflüssigung ist allerdings von der Kirche nie offiziell als Wunder anerkannt worden, die Verehrung der Blutreliquie wird nur als Ausdruck der Volksfrömmigkeit toleriert.

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ORF

Sendungshinweis

„kreuz und quer“ am 25. September 2012, 22.30 Uhr, ORF 2

Wiederholungen

Mittwoch, 26. September 2012, 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 27. September 2012, 11.50 Uhr, ORF 2

Sendungsprofil

TVthek

Doch das Blutwunder von San Gennaro ist nicht das einzige, das sich in Neapel ereignet. So gibt es Blutreliquien auch von anderen Märtyrern, wie jene des heiligen Laurentius und des heiligen Pantaleon. Gemeinsam ist allen diesen Blutwundern, dass sie nie eingehend wissenschaftlich untersucht worden sind. Zwar bemühten sich zahlreiche Forscher, Zugang zu den geheimnisumwitterten Substanzen zu erhalten, die Kirche hat jedoch alle Untersuchungen abgelehnt - aus Sicherheitsgründen, heißt es.

Dennoch ist der Chemiker Luigi Garlaschelli - er war auch an den Untersuchungen des Turiner Grabtuchs beteiligt - überzeugt, dass es sich bei der angeblichen Blutverflüssigung um eine chemische Reaktion handelt, die auch bereits die Alchimisten des Mittelalters gekannt hätten. Doch für gläubige Neapolitaner steht ohne Zweifel fest, dass es sich tatsächlich um ein göttliches Wunder handelt.

Ein Streit zwischen Naturwissenschaft und Religion? Oder doch nur eine Frage der Sichtweise, denn wie der Anthropologe Marino Niola meint: „Alle Menschen haben das Bedürfnis, an irgendetwas zu glauben. Und alle haben das Bedürfnis nach einem Symbol.“

Ein Film von Gregorio Paolini und Paolo Malizia

Deutsche Bearbeitung: Rosemarie Pagani-Trautner

„Die Macht des Gebets“

Handelt Gott, wenn wir ihn bitten? Diese Frage wird sich jeder religiöse Mensch stellen. Seit Urzeiten ist Gebet auch magische Technik: der Versuch, sich die Götter gewogen zu machen, mit ihnen zu verhandeln, sie um Glück, Erfolg und Schadensabwendung und um Hilfe gegen Feinde zu bitten. Solche Formen des Bittens gibt es in fast jeder Religion: Elemente davon findet der Film von Peter Beringer etwa bei Karine LaBel, die seit zwölf Jahren in Wien lebt und hier die Voodoo-Religion ihrer karibischen Heimat praktiziert. Karine gibt im Film Einblick in ihr Pantheon und zeigt, wie und warum man mit den Gottheiten Kontakt aufnimmt.

Auch eine Pfingstgemeinde in Salzburg ist überzeugt davon, dass direkter Kontakt mit Gott möglich ist. Für die jungen Pastoren Nicole und Immanuel Fiausch ist es Jesus, der in bestimmten Momenten zu den Menschen spricht, und der Heilige Geist, der von ihnen Besitz nimmt. Gebet ist das Mittel, Kontakt aufzunehmen. Wer sich frei und ohne Einschränkungen anvertraut, wird die Kraft Gottes spüren. Die Erhörung der Bitten ist eine mögliche Folge, aber nicht der Sinn des Gebets, das in den Gottesdiensten der Gemeinde schwungvoll zelebriert wird.

Die „Profis des Betens“ aus dem Benediktinerstift Sankt Lambrecht haben andere Traditionen. Seit mehr als 900 Jahren werden hier mehrmals täglich die Psalmen gebetet, zur Ehre des Herrn und zum Wohle des Landes. Über ekstatische Zustände wird hier kein Wort verloren. Abt Otto sagt: Im Gebet selbst liegt schon die Kraft. Nicht weil es „Ergebnisse“ bringt, sondern weil die Ausrichtung auf das „Du“, auf die Existenz Gottes, die Überwindung egoistischen Wollens beinhaltet.

Das, so der katholische Theologe Wolfgang Treitler, sei auch der Sinn des Gebetes: Befreiung. Anderes Beten sei Magie und der Versuch, sich die Gottheit dienstbar zu machen, die paradoxerweise in Verstrickung und Sklaverei führt. Es gibt auch den Versuch, Gebet als heilende Praxis zu erklären und zu benutzen: Ärztin Veronika Königswieser in Wien ist überzeugt, dass Gebete heilen und dass wahrhafte Heiler für ihre Patienten beten.

Gebet ist hier eine Form des positiven Denkens, und die mit dem Gebet verbundenen Rituale sind eine Form psychischer Programmierung, die erstaunliche Heilungen und Veränderungen bewirken kann. Für die Ethnologin Ruth Kutalek ist es keine Überraschung, dass abseits aller Wissenschaft Medizin immer auch Ritual, das Gebet immer schon die wichtigste Heilungstechnik war.

Ein Film von Peter Beringer