Mönch mit Kerze

ORF/metafilm/Franz Riess

Wenn die Welt untergeht

Seit jeher versuchen Menschen dem Weltuntergang ein Datum zu geben. Fritz Kalteis zeichnet für „kreuz und quer“ eine Geschichte der bisher angekündigten Weltuntergänge nach. Es folgt eine kreuz und quer-Diskussion zur Frage von Chancen des Weltenenendes.

„Es gibt wahrscheinlich durch die Geschichte des Christentums hindurch alle zehn Jahre ein Weltuntergangsdatum“, sagt der Religionswissenschafter Franz Winter. Fritz Kalteis und sein Team zeichnen die aufregende Geschichte der angekündigten und nicht eingetretenen Weltuntergänge mit aufwendigen Spielszenen und spannenden Geschichten rasant und amüsant nach. Zudem fragt der Film, wie Menschen reagieren, deren kleine Welt etwa durch Naturkatastrophen wirklich untergeht.

„Apokalypse – Eine kleine Geschichte der Weltuntergänge“

Sehnsucht nach dem großen Knall: Beinahe jede Kultur hat einen Mythos vom Untergang. In der abendländischen Kultur ist dieser Mythos die Apokalypse des Johannes: die bildhafte Vision eines schrecklichen Weltgerichts mit anschließender Errichtung des Reiches Gottes. Die Apokalypse vereint Schrecken und Hoffnung. Apokalyptisches Denken findet sich auch in der gegenwärtig weit verbreiteten – und vom oft angekündigten Ende des Maya-Kalenders befeuerten – Lust am Weltuntergang wieder. Es scheint, als würden wir einen großen Knall, ein reinigendes Feuer regelrecht erwarten, um dann in eine neue, bessere Welt überzugehen.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 18. Dezember 2012
um 22.30 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:
Mittwoch, 19. Dezember 2012
um 20.15 Uhr, ORF III und

Donnerstag, 20. Dezember 2012
um 11.50 Uhr, ORF 2

Der Tiroler Biobauer Michael Kreutner bereitet sich auf den Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystems vor: „Zuerst muss ein System zerbrechen, um die neue Chance wahrzunehmen, und deswegen hoffen wir und finden es auch spannend, dass wir genau in dieser Zeit dabei sind. Vielleicht sind wir das Keimbrot für die neue Zeit.“ Kreutner bietet mit seinem Partner Eckard Emde Kurse in „Autark-Werden“ an. Haltbarmachen von Lebensmitteln, Kochen ohne Strom, Keimbrot backen – das sind die Kursinhalte. „Es macht mich einfach ruhig, etwas dazuzulernen, und zudem finde ich es für die heutige Zeit wichtig, dass man sich in vielen Situationen über Schwierigkeiten selbst hinweghelfen kann“, sagt eine ältere Teilnehmerin zu ihrer Motivation.

Weltuntergangsstimmung zeigt sich derzeit in vielen Facetten. Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen beobachtet die Szene ganz genau. Doch nur die wenigsten glauben, dass es tatsächlich eine Katastrophe gibt. „Die meisten interpretieren dieses Thema als einen Start eines Transformationsprozesses. Die kommen und sagen ‚Super, endlich. Ich freu mich schon so, dann wird alles anders, es wird alles besser‘.“

Mönch mit Kerze

ORF/metafilm/Franz Riess

Recht behalten hat bisher kein Weltuntergangsprophet. Weder der protestantische Pfarrer und Rechenmeister Michael Stiefel, der den Weltuntergang mit mathematischer Präzision für den 19.10.1533, acht Uhr morgens kalkuliert hat, noch der österreichische Geologe Alexander Tollmann, der für Herbst 1999 den Dritten Weltkrieg und einen Kometeneinschlag vorhersagte. Die katholische Kirche dagegen hat sich aus dem Geschäft mit dem Weltuntergang längst zurückgezogen. Das Credo lautet: Sei vorbereitet – lebe so, dass du dem Schöpfer jederzeit gegenübertreten könntest! Das ist ungleich schlauer, hält es doch die Gläubigen in einem permanenten Alarmzustand.

Naturkatastrophen als Warnsignale

Hatten in der Vergangenheit Propheten, Priester und anderweitig göttliche Berufene das Monopol auf Endzeitvorhersagen, haben sie heute Konkurrenz von Wissenschaftern und Experten aller Art bekommen. Diese prophezeien – im Vokabular anders, im Tenor aber durchaus vergleichbar – das Ende der Welt durch Atomschmelze, Sonnenstürme, Klimawandel, Wirtschaftskrise. Als der Halleysche Komet 1910 an der Erde vorbeizog, sahen Wissenschafter das Ende der Menschheit durch Giftgas im Schweif des Kometen gekommen. Seit dem Beginn des Atomzeitalters hat es der Mensch selbst in der Hand, die Welt zu vernichten. „Wenn Sie die zwei Weltkriege nehmen, mit etwa 100 Millionen Toten, das haben unzählige Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamis usw. nicht geschafft. Vielleicht fürchten wir uns ja vor den falschen Dingen, wie etwa dem Einschlag eines Asteroiden oder sonstigen kosmischen Katastrophen, vielleicht sollten wir tatsächlich mehr Augenmerk auf die destruktiven Potenziale unserer eigenen Spezies richten“, sagt der Biowissenschafter und Philosoph Franz Wuketits.

Der Weltuntergang hat oft die Gestalt einer Naturkatastrophe: Als im Jahr 1954 eine Lawine das Vorarlberger Dorf Blons verwüstete, blieb kaum eine Familie verschont. 1997 begrub ein Vulkanausbruch zwei Drittel der Karibikinsel Montserrat inklusive der Hauptstadt Plymouth unter Schutt und Asche – ein modernes Pompeji. Die Rastafari-Community der Insel sah darin die Strafe für eine selbstsüchtige und materialistische Gesellschaft und sprach davon, dass – wie in der biblischen Apokalypse – Babylon zerstört worden war. Der Kirchenhistoriker Thomas Prügl warnt vor solchen Interpretationen. „Die erste Vermutung bei Naturkatastrophen ist immer, dass es sich um eine Strafe handeln könnte. Die Frage des Leids in der Welt mit dem Bild eines liebenden und gütigen und fürsorgenden Gottes in Verbindung zu bringen, ist eine der ganz großen Herausforderungen an die Theologie und auch an den Glauben.“

Wenn nicht, jetzt, dann später

Selbst wenn es 2012 mit dem Weltuntergang nichts werden sollte, es gibt bereits den nächsten Termin. Das sagt zumindest die Prophezeiung des Malachias. Sie ist eine Sammlung von orakelhaften Sinnsprüchen zu allen Päpsten von 1143 bis ans Ende der Welt. Und das scheint demnächst gekommen. Der gegenwärtige Papst Benedikt XVI. ist der vorletzte in der Liste. Und unter der Herrschaft des letzten Papstes werde die Siebenhügelstadt (Rom) zerstört werden und der furchtbare Richter sein Volk richten. Ende. Ist dies das Ende der Welt? Bisher jedenfalls waren die Sinnsprüche erstaunlich treffsicher, obwohl oder gerade weil sie so vieldeutig geschrieben sind. So wurde Johannes Paul I. der Spruch „von der Hälfte des Mondes“ zugeschrieben. Der Papst war nur 33 Tage im Amt – von Halbmond zu Halbmond.

Was das genaue Datum des Exit Mundi betrifft, ist die Wissenschaft heute kaum weiter als Michael Stiefel. In etwa sieben Milliarden Jahren ist es sicherlich so weit, wenn die anwachsende Sonne die Erde verglühen lässt. Zeit genug jedenfalls, um – frei nach Luther – noch ein Zeichen zu setzen: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, so würde ich doch heute mein Apfelbäumchen pflanzen.“

Ein Film von Fritz Kalteis

„kreuz und quer‘“-Diskussion zum Thema „Das Ende der Welt – eine Chance?“

Am 21. Dezember ist es so weit: Das Ende der Welt ist da. So jedenfalls lautet eine von Fachleuten kritisierte Interpretation des Maya-Kalenders. Apokalyptische Prophezeiungen lösen Urängste im Menschen aus. Aber ebenso sind Faszination und „Lust“ an Weltuntergangsszenarien unübersehbar – in Literatur und Film. Eine Diskussion über die ursprüngliche Intention religiöser Apokalyptik und über ein mögliches „Weltende auf Raten“ durch die fortschreitende Umweltzerstörung. Mit Michael Hofer diskutieren der evangelische Theologe Ulrich Körtner, die katholische Theologin Mirja Kutzer sowie der Mediziner und Wissenschaftsautor Thomas Grüter.