Franziskus fordert eine synodale Kirche auf allen Ebenen

Der Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Welt-Bischofssynode am Samstag schien zunächst als Routinetermin. Papst Franziskus forderte jedoch in seiner programmatischen Rede eine Aufwertung der synodalen Strukturen.

Der Festakt war nicht nur eine feierliche Unterbrechung der aktuellen Versammlung der Bischöfe zum heftig diskutierten Thema Ehe und Familie. Die Rede von Papst Franziskus wurde in manchen italienischen Medien (etwa „La Stampa“), als „Wende“ für die Kirche bezeichnet.

Vor den 270 versammelten Bischöfen forderte er eine Aufwertung der synodalen Strukturen der Kirche, und sprach sich für ein Überdenken des Papstprimats aus und plädierte für eine Dezentralisierung der Kirche, die Bistümern und Bischofskonferenzen neue Rollen gibt.

Papstrede

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Papst Franziskus fordert eine Aufwertung der synodalen Strukturen der Kirche

Offen bleibt, ob Bischöfe mehr Befugnisse bekommen

Ob Franziskus damit eine Woche vor Abschluss der 14. Ordentlichen Bischofssynode bereits einen Wink geben wollte, dass etwa in der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen die Bischöfe regional über Einzelfalllösungen entscheiden sollten, blieb offen.

Seine Ansprache zum Jubiläum der Synode, die in der katholischen Kirche erst 1965 als Organ wieder erfunden wurde, war grundsätzlicher Natur. Das dritte Jahrtausend erfordere eine synodale Kirche. „Kirche und Synode sind Synonyme“, stellte er klar.

Experimente in der Synode im Laufe der Jahrzehnte

Seit dem letzten Konzil haben die Päpste immer wieder über die Synode nachgedacht, sie reformiert und auch experimentiert. Nicht immer waren ihre Aufgaben klar. Vor allem in den 1990er Jahren, in denen Johannes Paul II. nicht weniger als neun Synoden einberief, schien das Gremium in eine Sackgasse zu laufen. Benedikt XVI. straffte den Verlauf, bemühte sich um mehr Austausch und Diskussion. Aber vor allem Franziskus versuchte seit Pontifikatsbeginn die Synode konsequent aufzuwerten.

Dabei steht nicht nur Rom im Blick. Es geht dem Papst um ein gegenseitiges Zuhören und Lernen auf allen Ebenen der Kirche. In den Diözesen sollten die „Gemeinschaftsorgane“ wie Priesterrat, Domkapitel oder Pastoralräte gestärkt werden. Auf Ebene der Regionen - Diözesansynoden und Bischofskonferenzen - sei der Geist der Kollegialität noch nicht ausreichend verwirklicht.

Papst nicht für alle Entscheidungen notwendig

In einer synodalen Kirche müsse der Papst die Ortsbischöfe nicht bei allen Entscheidungen ersetzen. Notwendig sei eine „heilsame Dezentralisierung“. Auf gesamtkirchlicher Ebene sei schließlich die Bischofssynode das Instrument der Kollegialität. Diese tage und handle immer mit und unter dem Papst als Garanten der Einheit.

Papst schaut auf die Uhr

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Papst Franziskus als Bischof von Rom möchte die Ortsbischöfe nicht in allen Entscheidungen ersetzen

Das Zuhören des synodalen Wegs gipfelt im „Zuhören des Bischofs von Rom, der berufen ist, sich als Hirte und Lehrer aller Christen“ zu äußern, betonte Franziskus. Will heißen: Nach Abschluss der Beratungen in der Synodenaula hat der Papst das Wort. Aber er vertritt damit nicht persönliche Überzeugungen, sondern spricht als oberster Zeuge des Glaubens der gesamten Kirche, als „Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung der Kirche mit dem Willen Gottes, dem Evangelium und der kirchlichen Tradition“.

Auswirkungen auf das Verhälntis zu anderen Kirchen

Eine stärkere Synodalität hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu den Kirchen des Ostens und den reformatorische Gemeinschaften, die ihrerseits stark synodal strukturiert sind.

Der Primat des Papstes, eines der großen Streitthemen der getrennten Christenheit, erscheint so in ganz neuem Licht. Franziskus betont, dass der Papst nicht allein über der Kirche stehe, dass er ein Getaufter unter Getauften und als Bischof und Bischöfen sei. Und dass er als solcher die Kirche von Rom leite, die unter allen Kirchen den Vorsitz in der Liebe habe.

Neuausrichtung des Papsttums

Franziskus fordert ausdrücklich dazu auf, über eine Neuausrichtung des Papsttums nachzudenken - und sich damit auf eine neue Situation hin zu öffnen, ohne auf das Wesentliche dieser Sendung zu verzichten. Ähnliches hatten bereits Johannes Paul II. und Benedikt XVI. geäußert - ohne jedoch diese Impulse in der Praxis zu vertiefen.

Franziskus scheint nun nicht nur bei der aktuellen Synode noch einen Schritt weiter gehen zu wollen, indem er mit der Kollegialität und der Bereitschaft zum Konflikt sowie mit dem „Hören auf das Gottesvolk“ (etwa durch die Umfragen im Vorfeld der Synode) ernst macht.

religion.ORF.at/KAP

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