Nach Paris-Terror: Religionsfreiheit in Gefahr

Der Menschenrechtsexperte und UNO-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt sieht die Religionsfreiheit von mehreren Seiten unter Druck gesetzt. Er warnte angesichts des Terrors in Paris vor einer Einschränkung von Rechten.

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Allerdings ist keineswegs überall gewährleistet, dass Menschen in Religionsfragen so leben können, wie es ihren Überzeugungen entspricht. In allen Regionen der Welt gebe es Verletzungen der Religionsfreiheit und religiös motivierte Gewalt, sagte der UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, der auf Einladung der Diözese Graz-Seckau am Donnerstag in Graz sprach.

Stigmatisierung von Muslimen vermeiden

Im Bezug zu den Anschlägen in Paris betonte Bielefeldt, dass der Terror zum Ziel habe, unter den Menschen eine Paranoia, Angst und Schrecken zu verbreiten und die tiefe Spaltung der Gesellschaft in Mehrheiten und Minderheiten zu erreichen. Interesse der Terroristen sei es, „Europa in einen Bürgerkrieg mit dem Islam zu verwickeln“. Muslime stünden allerdings genauso fassungslos vor dieser Form religiös verbrämter Gewalt wie Nicht-Muslime. Ihre Stigmatisierung zu vermeiden und offen dagegen aufzutreten sei daher aktuell besonders wichtig.

Auf jeden Fall sei Religionsfreiheit auch unter dem Eindruck der jüngsten Terroranschläge von Paris zu respektieren, betonte der deutsche Menschenrechtsexperte. Religionsfreiheit bedeute nicht, einen Freibrief für den Terror auszustellen. Sie stehe nicht isoliert, sondern im Kontext mit den anderen Menschenrechten und dem Schutz der Rechte anderer.

Religionsfreiheit als Kontroverse

Verletzungen der Religionsfreiheit und religiös motivierte Gewalt finden sich laut dem Experten in vielen Formen, „mit unterschiedlichem Härtegrad und unter verschiedenen religiösen und ideologischen Vorzeichen“.

Der Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Universität Erlangen führte Beispiele von Extremisten der Boko Haram in Nigeria über den arabischen Raum mit der Terrorgruppe des selbsternannten Islamischen Staates (IS) bis nach Indien, wo Hindunationalisten Christen und Muslime bedrohen, oder Sri Lanka, wo Buddhisten zur Gewalt aufrufen, an. Kaum ein Menschenrecht stehe daher derzeit international derart in der politischen Kontroverse wie die Religionsfreiheit.

Mission auch Religionsfreiheit

Dieses Menschenrecht gerate von zwei entgegen gesetzten Seiten unter Druck, erläuterte Bielefeldt: Es sei dort bedroht, wo sich der Staat als Durchsetzungsinstanz religiöser Rechtsnormen verstehe oder Politik im Sinne von nationaler Identitätspolitik auf Religion zugreift.

Unter Druck komme das Menschenrecht aber auch, wenn unter dem Mantel der Religionsfreiheit, die Religion als störendes Element verstanden wird und nicht mehr in der Öffentlichkeit gelebt oder zu einer Konversion eingeladen werden kann, so Bielefeldt. „Zur Religiösen Freiheit gehört nicht nur die Kultusfreiheit, sondern auch die Freiheit, über Glaubensformen offen zu reden und andere zum Glaubenswechsel einzuladen“, hielt er fest.

religion.ORF.at/APA

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