Sedisvakanz: Die „Camera Apostolica“ führt den Vatikan

Im Vatikan ist seit Freitag die „Camera Apostolica“ - die Apostolische Kammer - bis zur Wahl eines neuen Papstes das Zentrum aller Entscheidungen. In dieser Zeit dürfen keine Änderungen vorgenommen werden.

Die Einrichtung der Apostolischen Kammer reicht zumindest bis ins 11. Jahrhundert zurück. Sie führt die Geschäfte des Vatikans in der Zeit zwischen Ableben oder Rücktritt eines Papstes bis zur Verkündung eines neuen Kirchenoberhauptes. Die Camera Apostolica darf allerdings in der Zeit der Sedisvakanz „in der Leitung der Gesamtkirche nichts ändern“, so das Kirchenrecht. Nur die reguläre Verwaltung geht weiter.

Tarcisio Bertone im Kreis anderer Kardinäle

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„Kämmerer“ Tarcisio Bertone bei einer der ersten Amtshandlungen

Erneuerung der Ämter

Fast alle Kurienchefs, einschließlich dem Kardinal-Staatssekretär, verlieren ihre Ämter. Beim derzeitigen Amtsinhaber Tarcisio Bertone bedeutet dies, dass er zwar nicht mehr „Nummer zwei“ im Vatikan - also Staatssekretär - ist, dafür aber vorübergehend „Nummer eins“ als Camerlengo. Zu den nicht außer Kraft gesetzten Leitungsämtern gehört auch das des für Buß- und Ablasswesen zuständigen Großpönitentiars - aktuell Kardinal Manuel Monteiro de Castro - sowie das des Kardinalvikars für die Diözese Rom - aktuell Kardinal Agostino Vallini.

Während der Zeit der Sedisvakanz tritt das Kardinalskollegium täglich zu „Generalkongregationen“ zusammen. Bei diesen Sitzungen, zu denen Kardinaldekan Angelo Sodano täglich die Kardinäle einlädt, müssen Zeitpunkt und Details zur Einberufung des Konklaves sowie andere wichtige Probleme der Kirchenleitung besprochen werden. Aufschiebbare Fragen, erst recht Dinge, die einem Papst vorbehalten sind, dürfen in dieser Phase nicht entschieden werden.

Tarcisio Bertone beim Versiegeln der Türe der päpstlichen Wohnung

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Tarcisio Bertone beim Versiegeln der päpstlichen Wohnung

Der Kämmerer tritt in den Vordergrund

Der „Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche“ ist während der Sedisvakanz zusammen mit drei Kardinals-Assistenten für die Verwaltung der „Güter und Rechte des Heiligen Stuhls“ zuständig. Seit dem 15. Jahrhundert wird der Camerlengo aus Mitgliedern des Kardinalskollegiums ausgewählt und vom Papst ernannt. Bis zum Ende des territorialen Kirchenstaates im Jahr 1870 übte er das Amt eines Gouverneurs aus. Der derzeitige „Camerlengo“ (Kämmerer) - ist der bisherige Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone (78), der auch als einer der Papabili gilt.

Sobald das Pontifikat zu Ende ist, versiegelt der Camerlengo die päpstliche Wohnung. Diesmal erfolgte dies am Donnerstag um 20 Uhr. Nach der Versiegelung ist er für die Erhaltung und Sorge des Apostolischen Palasts im Vatikan, des Lateranpalasts sowie des Palasts in Castel Gandolfo zuständig.

Kirche und Staat ohne Oberhaupt

Mit dem Pontifikatsende verliert nicht nur die katholische Weltkirche, sondern auch der Vatikanstaat sein Oberhaupt. Der Papst führt unter anderen den Titel „Souverän des Staates der Vatikanstadt“, auch wenn seit 1984 eine Kardinalskommission diese Amtsgeschäfte führt. In dem rund 44 Hektar großen Mini-Staat haben rund 450 Personen ihren ersten Wohnsitz, von denen jedoch nur etwa 200 vatikanische Staatsbürger sind. Die Staatsbürgerschaft des „Kirchenstaats“ haben auch alle in der Stadt Rom lebenden Kardinäle sowie die über 250 diplomatischen Vertreter des Heiligen Stuhls im Ausland. Insgesamt gehören zum Kreis der Vatikan-Bürger derzeit rund 550 Personen.

Gegründet wurde der heutige Vatikanstaat 1929 mit den Lateran-Verträgen zwischen dem italienischen Staat und dem Heiligen Stuhl. Zum Vatikan gehören außer dem Staatsgelände am Petersdom exterritoriale Besitzungen in und außerhalb Roms, darunter die großen Basiliken wie Lateran oder Maria Maggiore, die Kuriengebäude, der Papst-Palast in Castelgandolfo, der Sitz von Radio Vatikan sowie dessen Sendeanlagen in Santa Maria di Galeria. Die eigentliche Vatikanstadt ist auf drei Seiten von alten Festungsmauern umgeben; nur am Petersplatz ist sie offen, die Staatsgrenze wird dort von einer weißen Linie markiert.

Der Miniaturstaat

Mittelpunkt des Miniaturstaates bildet der Petersdom, der über dem Grab des Apostels Petrus errichtet wurde. Nördlich des vor der Basilika liegenden Petersplatzes befindet sich der Apostolische Palast mit Audienzräumen, Kurienbüros und im Obersten Stock die Privatwohnung des Papstes. Auf dem vatikanischen Staatsgelände befinden sich weitere Verwaltungsgebäude, die Vatikanischen Museen, Archiv, Bibliothek, die Redaktion und Druckerei des „L’Osservatore Romano“, eine Apotheke, das Postamt, ein Bahnhof, ein Frauenkloster und das Gästehaus „Santa Marta“, in dem die Kardinäle während des Konklaves wohnen.

Blick von der Kuppel des Petersdoms auf die Vatikanischen Gärten

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Blick von der Kuppel des Petersdoms

Schließlich gibt es im kleinsten Staat der Welt einen Supermarkt, eine Tankstelle sowie die Kaserne der Schweizergarde. In den Gärten liegen das alte Sendezentrum von Radio Vatikan, der Governatorats-Palast, der Sitz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, das Äthiopische Kolleg sowei das seit September 2012 in Restaurierung befindliche „Mater Ecclesiae“-Kloster, in das Ende Mai der emeritierte Papst übersiedeln wird.

Stilles Pontifikatsende in Castel Gandolfo

„Papa emeritus“ Bendedikt XVI. wartet den Abschluss der Restaurierung des durch starke Feuchtigkeit beschädigten Gemäuers des „Mater Ecclesiae“-Klosters in Castel Gandolfo ab, wohin er am Mittwochabend übersiedelte - mehr dazu in: Papst regiert noch 165 Minuten von Castel Gandolfo aus. Mit einer Wachablösung ging sein Pontifikat um 20 Uhr zu Ende. Mit dem Glockenschlag um 20 Uhr trat der wachhabende Hellebardier am Papst-Palast von Castel Gandolfo mit militärischem Gruß ab und hängte seine Waffe im Tordurchgang auf. Anschließend schlossen sich die Tore. Besucher vor dem Palais riefen „Viva il Papa!“. Drei Kräfte der vatikanischen Gendarmerie übernahmen den Dienst.

Die Schweizergarde ist für den Schutz des amtierende Papstes zuständig. Während der Sedisvakanz übernimmt die 110 Mann starke Truppe die gleichen Aufgaben für das Kardinalskollegium. Benedikt XVI. hatte sich zweieinhalb Stunden zuvor von den Gläubigen verabschiedet, die ihn in Castel Gandolfo willkommen hießen. „Ich bin nur noch ein einfacher Pilger, der die letzte Etappe auf seinem Erdenweg beginnt“, sagte der 85-Jährige. Danach erteilte er das letzte Mal den Apostolischen Segen.

„Sede Vacante“ auch für päpstlichen Twitter-Account

Mit dem Rücktritt des Kirchenoberhaupts zeigten die vatikanischen Internetseiten das Zeichen für den unbesetzten Papstthron, die gekreuzten Petrusschlüssel unter einem gelb-roten Schirm, mit der Schrift „Sede Vacante MMXIII“. Die Fenster des päpstlichen Arbeitszimmers im Apostolischen Palast am Petersplatz blieben dunkel.

Mit dem Rücktritt Benedikts XVI. vom Papstamt wurde auch sein Twitter-Account stillgelegt. Statt des bisherigen Profilbildes ist auf @Pontifex seit Donnerstag das Symbol für den verwaisten Papstthron - die gekreuzten Petrusschlüssel unter einem geöffneten Schirm und die Schrift „Sede Vacante“ - zu sehen. Die Tweets des ehemaligen Kirchenoberhauptes wurden gelöscht und in ein Archiv auf der Website des Vatikans verschoben.

Zuletzt hatte sich Benedikt XVI. mit dem Verlassen des Vatikan an seine Follower gewandt: „Danke für eure Liebe und Unterstützung. Ich wünsche, dass ihr immer Freude dabei erfahrt, Christus in die Mitte eures Lebens zu stellen“, schrieb er. Am Tag seines Amtsverzichts überschritt die Zahl der Nutzer, die einer der neun Sprachversionen von Pontifex folgen, die Marke von drei Millionen.

KAP

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