Gewalt gegen Christen: „Nie da gewesene Ausmaße“

Die Plattform Solidarität mit verfolgten Christen hat am Tag der Menschenrechte Mitte Dezember zu einem Aktionstag aufgerufen. In Wien wurde er mit einem Fackelzug durch die Innenstadt begangen.

Danach folgte ein ökumenischer Gottesdienst im Stephansdom. „Gewalt gegen Christen hat besonders in Syrien und Ägypten, aber auch im Irak und Nigeria nie da gewesene Ausmaße erreicht“, sagte der Präsident von Pro Oriente, Johann Marte, vor der Presse in Wien. In Syrien würden Christen offen von Islamisten bedroht und „vor die Alternative gestellt: konvertieren, verschwinden oder Tod“ („Convert, leave or die“), so der Chef der ökumenischen Stiftung.

Morde, Entführungen, Zerstörung

Die christliche Bevölkerung werde „Zielscheibe für Mord, Entführung und Brandschatzung“ in ihren Dörfern, auch abseits der Kriegshandlungen. In Ägypten „sind die Kopten der schlimmsten Gewaltwelle seit über hundert Jahren ausgesetzt“, so Marte. Morde, Entführungen, Zerstörung von Kirchen häuften sich nach der Entmachtung der Muslimbruderschaft. Nach Ansicht von Bischöfen in Nahost deute einiges auf „Pläne“ hin, „die Region von Christen zu ‚säubern‘“.

Der Pro-Oriente-Chef richtete in diesem Kontext kritische Worte auch in Richtung Österreich: „In Wien wird mit riesigem Aufwand interreligiöser Dialog zelebriert, ohne mit einem einzigen Wort diese religionsgeschichtliche Katastrophe zu erwähnen“, sagte er. Von offizieller islamischer Seite sei „kein Wort des Bedauerns oder gar des Mitgefühls“ gekommen, so Marte in Anspielung auf das von Saudi-Arabien gesponserte König-Abdullah-Dialogzentrum in Wien. Die wahabitischen Saudis hatten sich bei der jüngsten Wiener Konferenz jede Kritik am strikten Kirchenverbot in ihrem Land verbeten.

Schreckliche Fälle von Gewalt

Gast beim Aktionstag für verfolgte Christen war die syrisch-orthodoxe Ordensschwester Hatune Dogan, die von Deutschland aus die Stiftung „Helfende Hände für die Armen“ betreibt. Diese nimmt sich vor allem missbrauchter, entführter und vergewaltigter Frauen und Mädchen an. Die Stiftung hilft in 35 Ländern, zuletzt mit Fokus auf den Irak und Syrien. Selbst mit ihrer christlichen Familie als Kind aus dem Tur Abdin in der Südosttürkei geflüchtet, dokumentierte die Ordensschwester schreckliche Fälle aus dem Irak und Syrien in Wort und Bild.

Vor die Wahl gestellt „Muslim, Flucht oder Tod“ würden selbst Kinder grausamen physischen und psychischen Misshandlungen ausgesetzt, so Schwester Hatune. Sie schildert Schicksale einiger ihrer Schützlinge: ein mit fünf Jahren entführtes Mädchen, täglich missbraucht, dann verstümmelt, traumatisiert, das nach seiner Freilassung zwei Jahre später noch kein Wort spricht; die öffentliche Hinrichtung von drei Priestern, die vor muslimischem Publikum, einschließlich vieler Kindern, „geschächtet, abgeschlachtet“ wurden.

„Gleichgültigkeit des Westens ist eine Schande“

Über die fatalen Folgen des syrischen Bürgerkriegs für die Christen sprach auch Herbert Rechberger, Direktor von Kirche in Not. „Die Gleichgültigkeit des Westens ist eine Schande“, sagte Rechberger. „Mehr und mehr mischen sich militante Islamisten in das Geschehen ein“, so Reechberger, auch islamistische Kämpfer aus aller Welt, die gezielt gegen Christen vorgehen und einen islamischen Staat errichten wollen. Unter den 100.000 Toten des syrischen Bürgerkriegs sind laut UNO-Zahlen rund 6.500 Kinder.

In Ägypten wurden die Christen von den Muslimbrüdern und anderen islamistischen Gruppierungen für den Sturz des Muslim-Präsidenten Mohammed Mursi verantwortlich gemacht. Die Bilanz laut Kurt Igler von der Österreich-Sektion der NGO Open Doors: Eine Welle der Gewalt insbesondere gegen koptische Christen „hinterließ eine Spur der Zerstörung von Kirchen, Entführungen, Folterungen, Ermordungen“.

Zum Irak führte Pia de Simony von Christian Solidarity International (CSI) aus, dass die einheimischen Christen im islamischen Glaubenskrieg von Sunniten und Schiiten „zwischen alle Fronten geraten“ würden. Bombenanschläge, Entführungen, Morde seien Alltag. Vor dem Sturz des Diktators Saddam Hussein gab es zwei Millionen Christen dort, heute sind es maximal 500.000. Der chaldäische Patriarch Louis Raphael Sako stellte die Frage, ob ein geheimer Plan zur völligen Vertreibung der Christen aus den Ursprungsländern existiere.

religion.ORF.at/APA

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