Jahresrückblick: Mordender Gott und verhüllte Frauen

2016 hat religion.ORF.at in rund 3000 Artikeln über Ereignisse in den Religionen und Glaubensgemeinschaften rund um den Globus berichtet. Beim heurigen Jahresrückblick haben wir das ausgewählt, was im jeweiligen Monat am meisten aufgerufen wurde.

Jänner 2016: Mordender Gott auf Titelseite von „Charlie Hebdo“

Die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ hat für ihre Sonderausgabe ein Jahr nach dem blutigen Anschlag auf ihre Redaktion erneut eine provokative Titelseite gewählt.

"Charlie Hebdo"-Cover der Sonderausgabe ein Jahr nach den blutigen Anschlägen.

Charlie Hebdo

„Charlie-Hebdo“-Sonderausgabe: "Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf der Flucht.

Über das Cover rennt ein blutverschmierter Gott mit einer umgehängten Kalaschnikow, dazu die Überschrift: „Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf der Flucht.“ Gezeichnet hat die Karikatur „Charlie Hebdo“-Chef Riss. Die 32-seitige Sonderausgabe mit einer Auflage von einer Million Exemplaren kam einen Tag vor dem Jahrestag des Anschlags in die Kioske.

Mehr dazu in Mordender Gott auf Titelseite von „Charlie Hebdo“

Februar 2016: Zwischenfall bei Papst-Besuch in Mexiko

Zu einem kleinen Zwischenfall ist es bei einem Treffen von Papst Franziskus mit Jugendlichen in der mexikanischen Stadt Morelia gekommen. Jemand zog Franziskus beim Bad in der Menge so stark zu sich hin, dass er auf ein behindertes Kind im Rollstuhl stürzte.

Papst wir gezogen und fällt auf einen Buben im Rollstuhl

Reuters/Mexican Government Televison

TV-Aufnahmen zeigen wie der Papst in der Menge gezogen wird

Der sichtlich erzürnte Papst schimpfte nach dem Vorfall heftig. „Sei nicht egoistisch!“, rügte er den jungen Mann, der den 79-jährigen Argentinier kräftig am Arm gezogen und ihn dadurch fast zu Fall gebracht hätte. Eine Videoaufnahme der etwa 20 Sekunden langen Episode verbreitete sich wenig später tausendfach in den Sozialen Netzwerken.

Mehr dazu in Zwischenfall bei Papst-Besuch in Mexiko

März 2016: Jesus und der Abstieg in die Unterwelt

An einem Freitag ist Jesus Christus gestorben, an einem Sonntag feiern Christen seine Auferstehung: Was er unterdessen tat, regt seit vielen Jahrhunderten die Fantasie der Menschen an. Am beliebtesten ist wohl die Geschichte von der Höllenfahrt Christi.

Pergamentblatt "Liber Bartholomaei", koptisch, 8./9. Jh.

ÖNB/Wien, K 09574

Der „Liber Bartholomaei“ erzählt von der Unterwelt. Das Pergament befindet sich in der Papyrussammlung der ÖNB

Jesus sei „hinabgestiegen in das Reich des Todes“, heißt es im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Das Neue Testament verrät jedoch keine Einzelheiten darüber, einzig zwei kurze Stellen im 1. Petrusbrief deuten etwas an (1 Petrus 3,19; 4,6). Diese „große Leerstelle“ hätten Gläubige über die Jahrhunderte hinweg zu füllen versucht, sagte der Theologe Hans Förster im Gespräch mit religion.ORF.at, „immerhin zwei Nächte, fast drei Tage - das ist viel.“ Irgendetwas habe man sich dazu gern vorstellen wollen. Da die kanonisierten Texte der Bibel, wie wir sie heute kennen, für diesen Zeitraum fast nichts hergeben, entstanden apokryphe Schriften zu diesem Thema.

Mehr dazu in Jesus und der Abstieg in die Unterwelt

April 2016: Papst stellt Schreiben zu Familie und Sexualität vor

Der Vatikan hat das nachsynodale apostolische Papst-Schreiben „Amoris Laetitia“ (Freude der Liebe) vorgestellt. Es schreibt die aktuellen Positionen der katholischen Kirche zu den Themen Sexualität und Familie fest.

Papst Franziskus

APA/AFP/Tiziana Fabi

Papst Franziskus stellt die neue Exhortation vor

Hauptthema ist wie schon in den beiden vorangegangenen Bischofssynoden 2014 und 2015 der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und mit Homosexuellen. Das in neun Kapitel unterteilte, 190 Seiten starke Schreiben lässt immerhin teilweise etwas Raum für Spekulationen. Nebenbei hat Franziskus auch den einen oder anderen Rat in Sachen Kindererziehung und Liebesdingen parat.

Mehr dazu in Papst stellt Schreiben zu Familie und Sexualität vor

Mai 2016: Eklat bei Gespräch von AfD und Zentralrat der Muslime

Bei der Aussprache zwischen der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) und dem deutschen Zentralrat der Muslime (ZMD) ist es zum Eklat gekommen.

Der Vorsitzende des deutschen Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, und die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry schütteln einander die Hände

APA/AFP/Tobias Schwarz

Der Handshake vor dem Eklat: Der Vorsitzende des deutschen Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, und die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry

Die AfD habe das Gespräch abgebrochen, teilte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek in Berlin mit. Er warf der Partei vor, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden. Sie fälle ein pauschales Urteil gegen eine ganze Religionsgemeinschaft. Mazyek hatte die AfD-Spitze zu einem Gespräch aufgefordert, um über die ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem Islam zu sprechen. Die Parteivorsitzende Frauke Petry und ihre Begleiter verließen am Montag nach knapp einer Stunde den Saal in einem Berliner Hotel.

Mehr dazu in Eklat bei Gespräch von AfD und Zentralrat der Muslime

Juni 2016: „The Young Pope“ - Ein kettenrauchender US-Papst

Jude Law als der erste US-amerikanische Papst in einer TV-Dramaserie: Als sexy, kettenrauchender Papst Pius XIII. ist der britische Schauspieler in Paolo Sorrentinos neuer TV-Serie „The Young Pope“ zu sehen.

Der Schauspieler Jude Law in der Titelrolle der TV-Serie "The Young Pope" bei Dreharbeiten in Rom

Reuters/Yara Nardi

Jude Law in der Titelrolle der TV-Serie „The Young Pope“

Die achtteilige Serie mit jeweils 50 Minuten langen Folgen ist eine Gemeinschaftsproduktion von Sky, HBO und Canal+. Der englischsprachige Trailer lässt erahnen, dass „Der junge Papst“ einiges an Dramapotenzial in der geistlichen Machtsphäre des Vatikans umsetzt.

Mehr dazu in „The Young Pope“: Ein kettenrauchender US-Papst

Juli 2016: Wenn Bademode koscher sein muss

Für orthodoxe Jüdinnen, die sich wie viele Musliminnen an religiöse Kleidungsvorschriften halten, ist der Griff zum freizügigen Bikini ein No-go. Daher produzieren jüdische Designerinnen sittsame, aber schicke Bademode und erreichen damit nicht nur religiöse Frauen.

Eine Jüdin trägt koschere Bademode von Csuta

Csuta

Koscher Bademode von Csuta aus Israel

Wenn von religiösen Bekleidungsvorschriften die Rede ist, stehen meist Musliminnen, das Kopftuch und im Sommer besonders der Burkini im Mittelpunkt des Interesses. Doch auch orthodoxe Juden halten sich an religiöse Gesetze, die bestimmen, wie sie sich zu kleiden haben. So sollen Frauen Röcke tragen, die mindestens über das Knie reichen, und am Oberkörper Kleidungsstücke, die die Ellbogen bedecken. Verheiratete orthodoxe Jüdinnen bedecken außerdem ihr Haar - mit einer Perücke, Haube oder einem Hut.

Mehr dazu in Wenn Bademode koscher sein muss

August 2016: Hidschabs und Kreuzzeichen bei Olympia

Hatten die olympischen Spiele der Antike eine große religiöse Bedeutung, gelten die modernen Bewerbe als rein sportliche Angelegenheit. Doch ganz draußen bleibt die Religion auch im Jahr 2016 nicht.

Olympia-Beachvolleyballerin Doaa Elghobashy beim Baggern

AP/Marcio Jose Sanchez

Doaa Elghobashy beim Baggern

Das ägyptische Beachvolleyball-Team der Damen, bestehend aus Nada Meawad und Doaa Elghobashy, brachte heuer Abwechslung in das vertraute Bild bunter Bikinis und Badehosen: Beide betraten den Sandplatz für das Spiel gegen Deutschland in langen Ärmeln und langen Hosen, Elghobashy bedeckte außerdem ihren Kopf mit einem Hidschab. Ein starker Kontrast zur üblichen Beachvolleyball-Bekleidung - Bikinis bei den Frauen und Shorts für Männer -, der weltweit nicht unbeachtet blieb.

Mehr dazu in Hidschabs und Kreuzzeichen bei Olympia

September 2016: Muslime müssen im Kochunterricht Schweinefleisch verkosten

Eine Muslimin will eine Wiener Wirtschaftsschule besuchen. Vor der Aufnahme müssen ihre Eltern unterschreiben, dass ihre Tochter im Kochunterricht Schweinefleisch und Alkohol verkosten muss. Diskriminierung? Nein, sagt der Stadtschulrat.

Schweinsbraten auf Teller

CC BY-SA 2.0 János Korom Dr.

Ein Schweinsbraten

Wer in Österreich eine Tourismus- oder Wirtschaftsschule besuchen will, sollte Interesse fürs Kochen, Servieren und am besten kein Problem mit Schweinefleisch und Alkohol haben. Denn laut Lehrplan ist das Zubereiten von Speisen aus der österreichischen Küche, dazu zählt auch Schweinefleisch, eine Voraussetzung für den Bildungserfolg. Und zubereiten bedeutet auch abschmecken. Auch mit Alkohol verfeinerte Saucen kommen in Österreich mitunter auf den Tisch. Doch was, wenn Schüler aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen, keinen Alkohol trinken wollen?

Mehr dazu in: Schule: Muslime müssen Schweinefleisch verkosten

Oktober 2016: Luthers Thesenanschlag nur ein Mythos?

Die Geschichte von Martin Luthers Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche ist zweifelsohne legendär. Aber ist sie auch wahr? Historiker und Theologen streiten seit Jahrzehnten darüber, ob dieses Ereignis je stattgefunden hat.

Joseph Fiennes als Luther im bekannten Film "Luther" (2003). Er hämmert die Thesen an die Schlosskirche Wittenberg

ottfilm (UIP)

Joseph Fiennes im Film „Luther“ (2003) hämmert die Thesen an die Kirchentür

Zweifel an dem lange Zeit als unumstößliches Faktum geltenden Thesenanschlag wurden erstmals am 8. November 1961 laut. Ein katholischer Reformationshistoriker mit Namen Erwin Iserloh hielt in Mainz einen Vortrag, in dem er sich auf den evangelischen Reformationshistoriker Hans Volz berief, der in einer Studie das Datum des Thesenanschlags anzweifelte. Iserloh kam gar zu dem Schluss, dass es einen solchen gar nicht gegeben habe. Sein Vortrag war der Beginn einer heftigen Debatte über die Historizität des Thesenanschlags.

Mehr dazu in Luthers Thesenanschlag: Alles nur ein Mythos?

Novemeber 2016: Zentralrates der Muslime kritisiert Talkshow mit Nikab-Trägerin

Die Kritik nach der ARD-Talkshow „Anne Will“ mit einer vollverschleierten Schweizer Muslimin reißt nicht ab. Nun macht auch der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, dem Sender Vorwürfe.

Von links: Wolfgang Bosbach (CDU), Anne Will (Moderatorin) und Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz

APA/dpa/NDR/Wolfgang Borrs

V. li.: Wolfgang Bosbach (CDU), Anne Will (Moderatorin) und Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz

„Das war Agitprop statt Bildungsfernsehen“, sagte er im Interview der in Dortmund erscheinenden „Ruhr Nachrichten“. „Auf dem Rücken von Millionen von Muslimen und noch mehr Ahnungslosen wird so versucht, Neo-Salafismus in Deutschland salonfähig zu machen“, sagte Mazyek.

Mehr dazu in Auch Muslime kritisieren Talkshow mit Nikab-Trägerin

Dezember 2016: Tradition trifft Tourismus bei Krampusläufen

Sein großer Tag ist der 5. Dezember, doch in Teilen Österreichs treibt er schon seit einiger Zeit sein Unwesen: der Krampus. Eine teuflische Tradition, die längst zum Tourismusfaktor wurde - „Problem-Krampusse“ inklusive.

Krampus in Kappl, Tirol

Reuters/Dominic Ebenbichler

Krampus mit Teufelsbezug im Paznaun, Tirol

Die Krampustradition war und ist ein rurales Phänomen - mit wohl steigender Tendenz. Man trifft den Gehörnten im städtischen Bereich nur noch selten, 46 Prozent der Wiener ist der Krampus einer Umfrage vom Vorjahr zufolge sogar „völlig egal“. Doch in den Bundesländern, vor allem Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Steiermark und Kärnten, spielen die traditionellen, oft auch modern überformten Krampusläufe eine ungebrochen große Rolle. Dabei mischen sich auch ältere Traditionen wie die Perchtenumzüge in das Geschehen.

Mehr dazu in Krampusläufe: Tradition trifft Tourismus

Mehr dazu: