Geschichte

Austrofaschismus: Theologen begrüßen Erklärung Lackners

Der Dekan der Salzburger Katholisch-theologischen Fakultät, Dietmar Winkler, und der Salzburger Kirchenhistoriker Roland Cerny-Werner haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die jüngste Erklärung von Erzbischof Franz Lackner zur Maiverfassung 1934 begrüßt.

Für Cerny-Werner ist die Erklärung „als ein Höhepunkt (kirchen)historisch-kritischer Auseinandersetzung anzusehen“, der zugleich in die Zukunft weise. Dabei habe sich Lackner auch nicht gescheut, den Finger „in eine durchaus noch nicht verheilte Wunde zu legen“, sagte er gegenüber Kathpress. Dekan Winkler: „Die Worte des Erzbischofs kann man nur unterstreichen und sie scheinen mir 90 Jahre danach mehr als aktuell, in einem Jahr, wo es in mehreren Wahlen, um wesentliche Richtungsentscheidungen geht.“

Es gelte, so Winkler, dafür einzutreten, „dass die europäischen Grundrechte und die Prinzipien von Freiheit, Frieden, liberaler Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Respekt vor der Würde des Menschen gewahrt bleiben“. Der Dekan der Theologischen Fakultät warnte davor, „dass wir nicht mit den Mitteln der Demokratie die Demokratie abwählen oder wiederum ‚ausschalten‘, wie wir dies aus unserer Geschichte bereits kennen“.

„Maiverfassung“ vor 90 Jahren

Vor 90 Jahren, am 1. Mai 1934, trat die „Maiverfassung“ in Kraft, durch die unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß der nach ständisch-faschistischen Prinzipien gebildete „Bundesstaat Österreich“ etabliert werden sollte.

Erzbischof Franz Lackner
APA/Roland Schlager
Erzbischof Lackner

Der Salzburger Erzbischof und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz Franz Lackner dazu in einer am 29. April veröffentlichten Erklärung: „Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirche haben in den Tagen des Austrofaschismus in großer Einseitigkeit der unter dem Deckmantel vermeintlich christlicher Politik agierenden Diktatur das Wort geredet und danach gehandelt – dieses Versagen müssen wir als Glaubensgemeinschaft bekennen.“

Kontinuität mit Mariazeller Manifest

Die Erklärung Lackners stehe in Kontinuität mit dem 1952 verabschiedeten Mariazeller Manifest, „mit dem die österreichischen Bischöfe nach der Zeit des Totalitarismus ein Bekenntnis zu Demokratie und politischem Pluralismus ablegten und eine Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Kirche wagten“, so Winkler. Mit klaren Worten habe der Vorsitzende der Bischofskonferenz mit Bezug auf die Maiverfassung 1934 eingestanden, dass Vertreter der Kirche in der Zeit dieser sich „christlich“ nennenden Diktatur versagt hätten.

Lackner verbinde dieses Eingeständnis mit dem Aufruf gegen antidemokratische Kräfte und mahne, „dass sich die Kirche heute für die Menschenwürde und -rechte sowie das gemeinsame Wohl einsetzen müsse“. Ebenso gelte es wachsam zu sein, um sich nicht erneut „in derartige Spaltungen und Dämonisierungen der Andersmeinenden zu verirren“, so Winkler.

Ende des „Konstantinischen Zeitalters“

Der Fokus des Erinnerns an die Ereignisse vor 90 Jahren lag in der Erklärung Lackners „auf dem unkritischen und unterstützenden Handeln der Kirche während des Austrofaschismus“, hält Cerny-Werner fest. Allein die selbstverständliche Nutzung des Wortes „Austrofaschismus“ im Zusammenhang mit dem Wirken der Kirche „in der Ersten Republik und deren gewaltvollen Übergangs zu einer faschistoiden Diktatur“ sei hervorhebenswert.

Es zeige den Schritt an, „dass Kirche letztendlich vom Modus des Beschweigens und anhaltender Kritiklosigkeit in den Modus des aktiven (kirchen)geschichtlichen Erinnerns und reflexiven Gedenkens übertritt“.

„Vorbildhaft für andere Akteure“

Cerny-Werner weist zudem auf die immer noch bestehende Brisanz der Thematik hin: „Solange es in Österreich zum Beispiel noch eine intensive Auseinandersetzung über ein Dollfuß-Museum gibt, scheint eine Stellungnahme zu der Zeit des Austrofaschismus mehr als notwendig, vor allem aber auch vorbildhaft für andere gesellschaftliche Akteure“. Die historischen Forschungen spreche zu diesem Thema seit einigen Jahren von einer klar „faschistoiden“ Ausprägung der Herrschaft unter Dollfuss und Schuschnigg.

Die Stellungnahme Lackners sei freilich auch ein Bekenntnis dazu, dass die Kirche das fast 1.700 Jahre andauernde „Konstantinische Zeitalter“ der Kirchengeschichte aus eigenem Antrieb heraus für beendet erkläre. „Kirche will nicht mehr Staatskirche sein“ würdigt Cerny-Werner.

Rolle von Kirche im Heute

In der Erklärung werde auch bewusst nach der Rolle von Kirche im Heute gefragt: „Der Fokus, der hier erkennbar wird, ist nicht nur wohltuend reflektiert, sondern gleichsam zukunftsorientiert. Kirche kann immer nur den Versuch wagen, das Evangelium, wie es am Schluss der Erklärung zu lesen ist, entschlossen und fortwährend an einer menschenwürdigen, gerechten, friedlichen und (im besten Wortsinn) liebevollen Zivilgesellschaft mitzuwirken.“

Ein Angebot, das umso glaubwürdiger rezipiert werde, „wenn Kirche den Modus des selbstkritischen Erinnerns beibehält und so die eigene Fehlbarkeit nicht nur als Problem, sondern vielmehr lernwillig als Teil ihrer Selbst zur Quelle der Entschlossenheit werden lässt“, so der Salzburger Kirchenhistoriker.