Lebenskunst 10.1.2021, Helga Kohler-Spiegel

Bibelessay zu Markus 1,7-11

Das Markusevangelium beginnt – im Gegensatz zu Lukas und Matthäus, im Gegensatz zur Erzählung vom göttlichen Kind in der Krippe und dem Besuch der Weisen aus dem Orient – das Markusevangelium also beginnt nach einer Überschrift direkt mit Johannes dem Täufer.

Es beginnt mit seinem faszinierenden Auftreten und seiner Botschaft von Veränderung und Umkehr, von der notwendigen „Neuausrichtung“ des Lebens und dem Hinweis auf Jesus.

Helga Kohler-Spiegel
ist Theologin und Psychotherapeutin aus Feldkirch in Vorarlberg

Ermutigt und gestärkt

„Und es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazareth in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen.“ So wird Jesus im Markusevangelium eingeführt und erstmalig genannt. Jesus sieht, dass der Himmel aufreißt, er sieht, dass der Geist, die Kraft jenes Gottes, von dem die Bibel erzählt, auf ihn herabkommt und dass „eine Stimme aus dem Himmel“ spricht: „Du bist mein Sohn. Ich habe dich lieb.“ So klingen diese Worte in „Einfacher Sprache“.

Am Beginn des Weges Jesu steht der Himmel offen – und Jesus hört die entscheidenden Worte: „Du bist mein Sohn. Ich habe dich lieb.“ Vielleicht ist das auch entlastend: Diese so entscheidenden Worte sind nicht von den Eltern Jesu, nicht von Maria, seiner Mutter, überliefert. Im Anschluss an die Taufe am Jordan wird sich Jesus für 40 Tage in die Wüste zurückziehen, um dann das öffentlich zu machen, was ihn mit aller Kraft erfasst hat: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Wir können das Gesicht der Welt verändern, wir können unser Leben verändern, unsere Haltungen und unser Handeln.“ So ungefähr tönt diese „Frohe Botschaft“.

Symbol des Friedens

Aber: Man kann sich auch engagieren – weil man sich nicht sicher ist, ob man geliebt ist. Man kann sich engagieren – und das Engagement verwenden, um innere Leere zu füllen oder einen Schmerz zu besänftigen, um sich etwas zu beweisen, um sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Das Markusevangelium erinnert gleich am Beginn daran: Es ist gut, wenn sich Menschen engagieren. Und wenn sie sich dabei gewiss sind: „Ich bin von Beginn an geliebt.“ Ich sage es mir immer wieder: Das will ich nicht vergessen, ich bin geliebt…

Lebenskunst
Sonntag, 10.1.2021, 7.05 Uhr, Ö1

Der Geist Gottes kommt wie eine Taube, so heißt es am Beginn des Markusevangeliums. Die Taube gilt seit Jahrtausenden als Symbol des Friedens und der Versöhnung, in der Antike stand die Taube für Sanftmut und Liebe.

„Ich habe Wohlgefallen an dir“

Noch einmal wird im Markusevangelium der Himmel offen sein und die Stimme Gottes hörbar sein: bei der sog. Verklärungsszene etwa in der Mitte des Evangeliums (Mk 9,2-8). Jesus ist in Krise. In seiner Verkündigung in Galiläa hat Jesus viel Zustimmung erfahren, seine offene und frohe Botschaft und v.a. die Heilungen haben ihm viel Bekanntheit und Zustimmung bei den Menschen eingebracht. In der Zwischenzeit aber sind die Widerstände stärker und die Gegner deutlicher geworden, viele Menschen wenden sich von ihm ab. In dieser Situation hört Jesus wieder „eine Stimme aus dem Himmel“, die ruft: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ (Mk 9.7b) An zentralen Punkten im Leben des Jesus aus Nazareth ist es notwendig, diese Zusage, diese Ermutigung wieder zu hören.

Mit der Taufe Jesu findet – aus christlicher Perspektive – die Weihnachtszeit einen ersten Abschluss, es geht also wieder in den Alltag. Und wie so oft bei einem Text aus den Evangelien denke ich mir: Ja, das mag ich in meinen Alltag mitnehmen: gestärkt zu sein – gestärkt mit göttlicher Kraft und mit dieser Zusage: „Du bist meine geliebte Tochter. Du bist mein geliebter Sohn, ich habe Freude, Wohlgefallen an dir.“