Lebenskunst 27.6.2021, August Schmölzer

Ein Mensch ist ein Mensch und über allem die Liebe – Bibelessay zu 2 Kor 8, 7.9.13-15

August Schmölzer ist Schauspieler und Schriftsteller

An einem Liebeswerk beteiligen. Davon hat Paulus um das Jahr 55 in einem seiner Gemeindebriefe geschrieben. Die von ihm gegründeten Gemeinden waren weit verstreut.

Und heute?

Mehr als 70 Jahre sichert nun Europa eine friedliche Koexistenz heterogener Kulturen und Nationalstaaten. Europa krankt aber momentan daran, dass manche Politiker mancher Mitgliedstaaten Europa anders wollen. Es gibt Entwicklungen, denen die Union im Augenblick relativ ratlos gegenübersteht. Ein schwindendes Interesse der Menschen an Politik.

Lebenskunst
Sonntag, 27.6.2021, 7.05 Uhr, Ö1

Für irrationale und berechtigte Ängste gibt es verführerische Extremismen. Glaubensauseinandersetzungen. Freiheiten werden beschnitten. Terror, Klima und nun Covid. Der kapitalistische Weg des ewigen Wachstums kommt an seine Grenzen. Unsicherheit und Not im Mittleren und Nahen Osten, Asien und Afrika und eine daraus resultierende weltweite Migration zählen zu den größten Problemen.

Es braucht also dringend langfristige, tragfähige Lösungen für ein sicheres, aber weltoffenes Europa. Keine Mauern oder populistische Politiker. Es braucht Menschen mit Herz, Verstand und Sinn für das Gemeinwohl.

Die Not in vielen Ländern, gewachsen durch koloniale und andauernde Ausbeutung, ist so groß, dass immer mehr Menschen nach Europa wollen.

Die Union sowie auch einzelne Länder befürchten sich selbst und Europa in ihrer Handlungsfähigkeit einzuschränken, wenn die Grenzen einfach geöffnet werden. Menschen in Leid und Elend brauchen aber unsere Hilfe, egal woher, welcher Hautfarbe, Kultur und Religion. Und ich als Christ meine: Diese Hilfe ist Christenpflicht. Wenn schon Gebetsrunden im Hohen Haus stattfinden, was hindert also Österreich daran, einige hundert Kinder mehr aufzunehmen?

Viele Österreicher sind insgeheim gegen Migration, ich fürchte, so ist es und diese stille Mehrheit wird von manchen Politikern bespielt. Sie liefern, was diese Mehrheit unausgesprochen will, um zu erreichen, was SIE wollen. Es geht um Macht, einen Staat zu formen, wie SIE es sich vorstellen. Das kann gut ausgehen, aber auch gefährliche Formen annehmen, wie wir es momentan in einigen EU-Staaten erleben.

Ich bin überzeugt, nur ein in seiner Verschiedenheit sozial, humanistisch und wirtschaftlich gefestigtes und offen geeintes Europa bietet die Grundlage dafür alle künftigen Probleme zu lösen. Wir müssen bei uns selbst Vernunft, Respekt und Toleranz für das Andere einfordern. Nur wenn ich im anderen Menschen auch mich selbst erkenne, kann ein sozialer Ausgleich zwischen Europa und der bedürftigen Welt nachhaltig entstehen. Es lohnt sich, ein Mensch ist ein Mensch und über allem die Liebe.