Lebenskunst 8.8.2021, Josef Schultes

Bibelessay zu 1 Könige 19,4-8

Elija und der Horeb, wahrscheinlich besser bekannt als Sinai. Sein Weg kann ihn nur zu diesem Berg führen, denn dort hat schon Mose seine entscheidende Gotteserfahrung gemacht.

Elija ist einer der bedeutendsten Propheten aus dem Ersten, dem sogenannten Alten Testament. Engagiert setzt er sich für die Armen und Ausgegrenzten ein und für den einen und einzigen Gott. Lautet doch der volle Name des Propheten Eli-Jahu. Vehement stellt er sich gegen König Ahab und seine Frau Isebel; sie haben sich dem Baalskult zugewendet, also der Verehrung des kanaanäischen Fruchtbarkeitsgottes.

Josef Schultes
ist katholischer Theologe und Bibelwissenschaftler

Weg der Wandlung

Eindrucksvoll sind die Szenen, die aus dem Leben Elijas erzählt werden: etwa seine Begegnung mit der Witwe von Sarepta, sein erschreckend brutaler Kampf mit den Baalspriestern am Karmel und seine tiefe Gottesbegegnung am Horeb. Schließlich, von vielen Künstlern dargestellt, die Entrückung des Propheten im Feuerwagen. Durch alle Erzählungen zieht sich die intensive Gotteserfahrung der biblischen Gestalt, sie ist bis heute eine der populärsten in den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam.

Doch noch ist es nicht soweit. Elija ist auch nur ein Mensch und liegt auf dem Boden, einsam und enttäuscht. Innerlich ausgetrocknet und erschöpft, unter einem Ginsterstrauch im Negev sitzend, beklagt der zähe Einzelkämpfer sein Schicksal: „Nun ist es genug, HERR; nimm mein Leben“ (V. 4b). Typisches Burnout, würde die Diagnose heute lauten, schwere Depression mit Suizid-Gefahr. Elija findet nichts Nährendes mehr in seinem Dasein. Es braucht jemanden, der ihn anstößt, ihm die Augen öffnet. Einen Gottesboten, der ihm Brot und Lebenswasser reicht, heilsam und stärkend. Ein langer Weg liegt vor ihm. Es ist ein Weg der Wandlung: 40 Tage und 40 Nächte bis zum Horeb.

Lebenskunst
Sonntag, 8.8.2021, 7.05 Uhr, Ö1

Viele Wege führen zu Gott

Horeb, Sinai, Dschebel Musa. Wie immer man den Berg bezeichnet und wo immer man ihn lokalisiert: Oft bin ich mit meinen Reisegruppen vom Katharinenkloster aufgebrochen, noch in tiefer Nacht. Dann ein langer und anstrengender Aufstieg, viele hohe Stufen, vorbei an der Elija-Wiese, und schließlich am Ziel, am Gipfel. Um dort gemeinsam den Sonnenaufgang zu erleben, die meisten mit klammen Fingern, aber alle mit frohem Herzen. Glücklich und dankbar.

„Viele Wege führen zu Gott. Einer geht über die Berge.“ So lautet ein bekanntes Zitat von Reinhold Stecher, dem ehemaligen Bischof der katholischen Diözese Innsbruck. „Am Gipfel, wo die Welt zu Ende geht“, schreibt der begeisterte Bergsteiger in seinem Buch „Botschaft der Berge“, „am Gipfel, wo über uns nur mehr der weite Himmel steht und die Wolken ziehen – am Gipfel wächst der Blick in die Tiefe und Weite unseres Lebens“.