Lebenskunst 28.11.2021

Bibelessay zu Lukas 21,25-28.34-36

Eine Endzeitrede am Anfang des Kirchenjahres? Die Rede vom Kommen des Messias am ersten Adventsonntag? Folgt man der christlichen Theologie ist das schon stimmig, sagt Pater Karl Schauer.

Soll doch in den Wochen des Advents auf Weihnachten zu, auf das Geburtsfest des als Christus, als Messias, verehrten Jesus von Nazareth hin, auch die Hoffnung auf das endgültige Kommen des Messias wachgehalten werden.

Die ersten Christen haben die Naherwartung gelebt im Blick auf das baldige Kommen des Messias. Die christlichen Jahrhunderte haben das Jüngste Gericht vielfach beschworen, Höllenprediger haben die Menschen eingeschüchtert, das Weltengericht wurde künstlerisch entworfen bis hin zu Michelangelos Altarwand in der Sixtinischen Kapelle.


Pater Karl Schauer

ist Bischofsvikar der Diözese Eisenstadt.

Musikerinnen, Komponisten, Literaten, Philosophinnen und Theologen, Nachdenkliche und Oberflächliche blieben von dieser Wirklichkeit nicht unberührt. Die Zukunft auszublenden, tut nicht gut, das wäre eine Zerstückelung des Lebens. Damit aber Geschäfte zu machen, die Menschen zu ängstigen, sie zu gängeln, sie ihrer Würde zu berauben, sie zum Spielball göttlicher Beliebigkeit zu machen, wäre unverantwortlich und bedrohlich und bleibt das erbärmliche Geschäft der Sekten, Verschwörer und Geldmacher. Untergangsprophezeiungen und Weltuntergänge sind keine Glaubenswahrheiten.

Vom Advent Gottes, von seiner Ankunft nicht mehr zu reden, würde meinen Glauben und meine Rede von Gott schmälern, es würde ihn mir gefügig machen. Alles Reden von Gott wäre zahnlos und geschmeidig, er wäre eine Marionette im Welttheater und die Projektion meiner Wünsche. Er ist aber anders, ganz anders: Der Anfang und der Schöpfer, Begegnung und Vollendung, der Menschgewordene und das Kind, der Wehrlose und das Kreuz, der Auferstandene und das Leben, und trotz allem, sogar Liebe.

Und ich glaube: Er wird kommen, um Gericht zu halten, weil die Herrscher dieser Welt schon gerichtet sind. Diese tragen viele Namen: Sie sind die Ausbeuter von gestern und heute, die Verantwortungslosen, die Überheblichen und jene, die auf Kosten der Menschen leben, Gott aussperren und ihn ignorieren, auch dann, wenn sie mit ihm argumentieren.

Wirklich, ich mag den Advent: die Lichter, das Grün der Zweige, den Duft, die Kindheitserinnerungen und Erzählungen, die Lieder, die Bilder. Ich mag das Warten, die Sehnsucht und das Schweigen, ich mag das Unkalkulierbare und das Offene, das Unbeschreibliche und die Zukunft, die sich einmal auch mir eröffnen wird. Und ich mag diesen Gott, auch wenn er so unberechenbar bleibt und er mich immer noch überfordert, obwohl er Mensch geworden ist.

Ich weiß, er sprengt meine Vorstellungen. Deshalb brauche ich diesen Advent! Er hilft mir, meine Gottvergessenheit zu überwinden, er hilft mir, wach zu bleiben, ihm zuzutrauen, dass er in diese aufgescheuchte Welt kommt. Der adventliche Gott ist kein Weihnachtsmann und keine Gebrauchsanweisung für ein besseres Leben. Er bleibt der, der er ist, der bei mir ankommen will, der nicht fremdelt. „Richtet euch auf, erhebt euer Haupt, eure Erlösung ist nahe!“ – Irgendwie, so hoffe ich, ist mein ganzes Leben Advent.