Praxis Spezial, 5.1.2022

Neuregelung der Sterbehilfe

„Die Würde am Ende". In dieser Spezialausgabe von „Praxis – Religion und Gesellschaft" kommen zwei Menschen mit ihrer individuellen Sicht auf das Thema Sterbehilfe ausführlich zu Wort

Seit dem 1. Jänner 2022 ist Sterbehilfe, genauer gesagt, der assistierte Suizid, für dauerhaft schwer kranke oder unheilbar kranke Personen unter bestimmten Voraussetzungen in Österreich erlaubt.

Voraus gegangen sind dem viele Diskussionen um Freiheit und Selbstbestimmung, um den Druck, den das auf alte Menschen oder auf Menschen mit Behinderung ausüben könnte, und um den Mangel an genügend Hospiz- und Palliativeinrichtungen.

Praxis
Mittwoch, 5.1.2022, 16.05 Uhr, Ö1

Sterbehilfe ist ein gesellschaftspolitisches Thema, zu dem sich zahlreiche Gruppen und Interessensvertretungen zu Wort gemeldet haben, seit der österreichische Verfassungsgerichtshof im Dezember 2020 jene Bestimmung aufgehoben hat, die die Hilfeleistung zum Suizid unter Strafe stellt, was in Folge zu dieser Neuregelung geführt hat. Andererseits ist der eigene Tod für jeden Menschen auch zwangsläufig ein zutiefst persönliches Thema.

Darum wiederholt „Praxis“, das Ö1-Magazin für Religion und Ethik, zwei Interviews vom Dezember 2020, in denen die Kulturmanagerin Linda Kada-Thiery und der Pionier der Palliativarbeit Karl Harnoncourt ihre Sicht zum Thema Sterbehilfe und zum eigenen Abschied geschildert haben.

Individuelle und selbstbestimmte Wege

Als die Kulturmanagerin Linda Kada-Thiery mit 68 Jahren im Zuge einer unheilbaren Krankheit mit immer mehr körperlichen Beeinträchtigungen konfrontiert war, hat sie beschlossen, den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen. Sie hat am 18. Dezember 2020 in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch genommen.

Drei Tage vor ihrem Tod hat Linda Kada-Thiery ihrer langjährigen Freundin, der früheren ORF-Kulturjournalistin Eva Maria Klinger für „Praxis" noch ein letztes Radio-Interview gegeben. Darin führt sie aus, warum sie sich entschlossen hat, ihr Leben zu beenden, das in ihren Augen keine Qualität und keine Würde mehr zu bieten hatte, und wie sie sich auf diesen Schritt vorbereitet hat.

Die Kulturmanagerin hat einen Weg gewählt, den sich der Arzt Karl Harnoncourt für sich nicht vorstellen könnte. Er ist der jüngere Bruder des Dirigenten Nikolaus und des Theologen Philipp Harnoncourt, beide sind ja mittlerweile verstorben. Als Universitätsprofessor hat Karl Harnoncourt jahrzehntelang die Abteilung für Innere Medizin am Landeskrankenhaus Graz geleitet und der mittlerweile 87-Jährige gilt als einer der Pioniere der Hospiz- und Palliativarbeit in Österreich, insbesondere in seiner steirischen Heimat.

Maria Harmer hat Karl Harnoncourt vor einem Jahr – unter Einhaltung aller Corona-Sicherheitsauflagen – in seinem Haus am Grundlsee besucht. Mit Martin Luther stellt er fest: „Wenn ich auch wüsste, dass ich morgen sterben würde, würde ich noch heute einen Baum pflanzen."

Denn seine Lebenserfahrung bestehe darin, stellt Harnoncourt in diesem Gespräch fest, dass sein Leben „nicht so erbärmlich werden könnte, dass meine Lebenswürde und meine Lebensfreude und mein Lebenswert dadurch verloren geht".

Moderation: Alexandra Mantler