Bibelessay zu Deuteronomium 30, 10-14

Kaum etwas in unserer Welt ist eindeutig, auch die Theologie nicht. Das Wort ist aus zwei altgriechischen Wörtern gebildet, aus theos, das heißt Gott, und aus logos, das heißt Wort, Rede.
Theologie wäre demnach die Rede über Gott.
Aber Theologie kann auch Rede, Wort Gottes bedeuten.

Um diesen zweiten Sinn geht es in der eben gehörten Stelle aus dem Deuteronomium um Gottes Wort an den Menschen. Dieses Wort, heißt es, ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen. Es geht um die Stimme Gottes im Herzen des Menschen. Es braucht kein Studium, um diese Stimme zu vernehmen, auch kein Studium der Theologie.

Jeder Mensch kann sie hören: Es ist die Stimme des Gewissens. Die einzige Voraussetzung, sie zu hören, ist Bewusstsein.

Im alten Hebräisch gibt es kein Wort, das dem Wort Gewissen entspräche. Da heißt es zumeist Herz, manchmal auch Geist.

Im Altgriechischen lautet das Wort für Gewissen syneidesis, auf lateinisch conscientia.

In beiden Ausdrücken klingt eine Art des Mit-Wissens an.
Gewissen, Bewusstsein kennzeichnen menschliches Handeln.
Das schließt die Möglichkeit ein, sich auch anders zu entscheiden. Genau hier ist das grundgelegt, was man mit Menschenwürde bezeichnet.

Vor einem halben Jahrhundert hat das 2. Vatikanische Konzil die Würde des Gewissens betont. In der über die Kirche in der Welt von heute lese ich: Im Inneren seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muss und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen aufruft und, wenn nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist.

Damit, mit dieser Wertschätzung des Gewissens und der Freiheit des Gewissens, hat die katholische Hierarchie einen neuen Weg eingeschlagen.
Die fünf Verse aus dem 5. Buch Moses fordern dazu auf, die Stimme Gottes zu hören. Du sollst zum Herrn, deinem Gott, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele zurückkehren, steht da. Ja, immer geht es um Rückkehr, weil immer die Gefahr besteht, dass der Weg verfehlt wird. Aber zugleich ist diese Rückkehr allen und jederzeit möglich; denn im Innersten seines Herzens weiß jeder Mensch um den rechten Weg.