Lebenskunst 14.8.2022, Martin Jäggle

Bibelessay zu Lukas 12, 49-53

Der gerade gehörte kurze Abschnitt aus dem Evangelium nach Lukas ist mehr als irritierend, auch für mich als Theologen. Muss man am Sonntag in Herrgottsfrüh „Spaltung bringen“ senden? „Feuer auf die Erde zu werfen!“

Wer kann das als frohe Botschaft verstehen – mitten im Krieg gegen die Ukraine? Außerdem, haben wir nicht genug Spaltungen in Familie und Gesellschaft gerade jetzt? Und wie ist das alles vereinbar mit der Weihnachtsbotschaft des Lukas vom „Frieden auf Erden“?

Die Verse sind auch deshalb so hart, weil sie nach der katholischen Leseordnung aus ihrem Zusammenhang im Evangelium herausgeschnipselt sind. Der Kontext bei Lukas macht den Text nicht weniger irritierend, dafür jedoch verständlicher. Unmittelbar davor fordert Jesus von Nazareth in der Erzählung seine Anhängerinnen und Anhänger auf, wachsam zu sein, und unmittelbar danach, die Zeichen der Zeit der Entscheidung zu deuten. In dieser Zeit der Entscheidung, in der Jesus, so war es ja gerade eben wörtlich zu hören, bedrängt ist, sind seine herausfordernden Worte gesprochen. Es steht viel auf dem Spiel, eigentlich alles.

Martin Jäggle

ist Theologe, Religionspädagoge und Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit

„Ich bin nicht gekommen, um Ruhe zu bringen“

Wenn Jesus nun Feuer auf die Erde wirft, dann nicht um sie zu zerstören. Mit Feuer führt die Bibel oft die Nähe Gottes, das Geheimnis allen Lebens, vor Augen. So wie das Feuer leuchtet sie, brennt sie, reinigt sie. Das Zusammenspiel von Feuer und Taufe, die Jesus noch vor sich hat, lassen an eine Feuertaufe denken. An eine Bewährungsprobe, die bis ans Äußerste geht, in der das eigene Leben auf dem Spiel steht. Vor einer solchen Bewährungsprobe steht Jesus.

Mit der Geburt Jesu verbindet der Verfasser des Lukasevangeliums die Botschaft der Engel vom „Frieden auf Erden“. Heute war dagegen zu hören, dass Jesus nicht gekommen ist, den Frieden zu bringen. Wie passt das zusammen? Die Rede vom faulen oder vom ungerechten Frieden verweist auf die vielen Bedeutungen dieses Begriffes. „Gib doch endlich einen Frieden!“ Wer hat diesen Satz nicht schon gehört oder gar selbst gesagt. Wer so spricht, fühlt sich belästigt und will endlich seine Ruhe haben. Der Partner oder die Partnerin oder auch die Kinder sollen Frieden geben, damit man selbst seine Ruhe hat.

Lebenskunst
Sonntag, 14.8.2022, 7.05 Uhr, Ö1

Friede ist alltagssprachlich vielfach Synonym für Ruhe, der Friedhof wird sogar „Ort ewiger Ruhe“ genannt. Ruhe bedeutet: Es gibt keine Änderung, alles soll so bleiben, wie es ist. In diesem Sinne – und so meine ich sollte man es verstehen – könnte das Wort Jesu vom Frieden heißen: „Ich bin nicht gekommen, um Ruhe zu bringen.“ oder auch: „Ich bin nicht gekommen, um Ruhe zu geben.“

Doch Jesus bringt nicht den Gegensatz von Frieden, der wäre Gewalt und Krieg. Anstelle von Frieden bringt Jesus Spaltung, anstelle von Ruhe Auseinandersetzung, die mitten durch die erwachsenen Mitglieder einer Familie geht. Es geht um eine Entscheidung, für oder gegen ihn. Dass Glaubensentscheidungen sogar zur Trennung von der Familie führen können, dafür gibt es in der Geschichte viele Beispiele, ein besonders bekanntes ist Franz von Assisi.

Man kann die Worte Jesu so lesen, dass Religion die Menschen auseinanderbringt und Familien zerstört. Ich persönlich meine aber, man kann mit den Worten Jesu aber auch aufmerksam werden, ob um des faulen Friedens willen nicht zu viel beschwiegen und beschönigt wird, wo Auseinandersetzung und Konflikt notwendend wären.