Lebenskunst 25.9.2022, Elisabeth Birnbaum

Bibelessay zu Psalm 146,6-10

Vom “Dennoch" der Psalmen – Ich gebe zu, ich mag Psalmen. In der katholischen Leseordnung sind Psalmen eigentlich als Antwortpsalm in jedem Gottesdienst vorgesehen. Aber sie werden oft ausgelassen, und das finde ich schade.

Was mir an diesem Psalm gefällt, ist, dass er eine so große Zuversicht ausstrahlt. Er spannt unmittelbar zwei Botschaften zusammen: Gott ist mächtig und Gott ist gut.

Elisabeth Birnbaum

ist Theologin, Bibelwissenschaftlerin und Leiterin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

Das ist für ein Volk wie den Israeliten, die ja laut biblischem Bericht sehr häufig in Bedrängnisse durch andere Völker gerieten, eine großartige Aussage. Auch das 2. Jahrhundert vor Christus war kein ruhiges Jahrhundert. Der seleukidische König Antiochus IV. bedrohte die Religionsausübung und die Integrität des jüdischen Volkes. Und genau zu dieser Zeit wurde vermutlich das gesamte Buch der Psalmen abgeschlossen und auch Psalm 146 verfasst. Er bildet mit vier anderen zusammen das große Finale, wo aller Lob und Dank, alle Klagen und Bitten des Psalmenbuches in ein einziges großes zehnfaches Halleluja münden.

Der Psalm wirft in Zeiten der Bedrängnis den eigenen misslichen Erfahrungen ein beharrliches „Dennoch“ entgegen. Auf die Frage nach dem Warum von unschuldig erlittenem menschlichem Leid bricht ja im religiösen Kontext häufig ein Entweder-Oder auf: Entweder kann Gott das Leid nicht verhindern, dann ist er nicht mächtig, oder: Er will es nicht verhindern, dann ist er nicht gut. Der Psalm sagt dagegen: Unser Gott, der Gott Israels, ist beides: Er ist mächtig und er ist gut.

Lebenskunst
Sonntag, 25.9.2022, 7.05 Uhr, Ö1

Es lohnt sich die Psalmtexte im Gottesdienst zu singen

Mächtig ist der Gott Israels, weil er die ganze Welt erschaffen hat, weil es nichts gibt, das nicht von ihm kommt. Und gut ist er, weil er segensreich für seine Schöpfung wirkt, vor allem, indem er für Gerechtigkeit sorgt. Er selbst ist der Garant dafür, dass sich die Not der jetzt Unterdrückten, der Armen und der in irgendeiner Form Geschwächten wenden wird. Das heißt zwar nicht, dass es diese Bedrängnisse nicht gibt, wohl aber, dass sie irgendwann ein Ende haben werden. Gott ist dabei nicht nur zum eigenen Volk gut, sondern schützt auch die Fremden, alle, die das Gute wollen.

Ein solcher guter und mächtiger Gott gibt Hoffnung. Gleichgültig, wie schwierig die Situation ist, in der ich mich befinde, scheint der Psalm sagen zu wollen, ich habe Grund zur Hoffnung. Und diese Zuversicht behält der Psalm, trotz aller Bedrängnisse der Vergangenheit und Gegenwart. Ein wunderbarer Text also. Ich meine: Es lohnt sich, ihn und die vielen anderen Psalmtexte im Gottesdienst zu singen.