Lebenskunst 2.10.2022, Marco Uschmann

Bibelessay zu 5 Mose 8,7-18

Am heutigen 2. Oktober feiern viele Christinnen und Christen Erntedank: Sie feiern in Gottesdiensten und danken für die Ernte, die sie im vergangenen Jahr eingefahren haben. Sie bringen dazu Erntegaben, mancherorts wird eine große Erntekrone durch den Ort zur Kirche und in den Gottesdienst gebracht.

Und es könnte kaum eine bessere Bibelstelle für das Erntedankfest ausgesucht sein, als diese: Da ist von Bächen und Quellen, von Weizen, Gerste und Weinstöcken die Rede. Honig, genug Brot für alle, niemandem mangelt etwas – sogar Bodenschätze zählt die Bibel hier auf, wenn sie vom Eisen in den Steinen spricht. Das hört sich fast paradiesisch an.

Marco Uschmann

ist Journalist, Theologe und Pfarrer für Öffentlichkeitsarbeit der evangelischen Kirche in Österreich

Vom Dank zu Verantwortung und Engagement

Aber wenn ich auf die Welt und die Zustände schaue, dann sehe ich ein ganz anderes Bild – fast das Gegenteil. Menschen hungern, weil die Klimakrise in ihren Heimatländern voll durchschlägt: Landstriche werden überflutet, Stürme zerstören Häuser und wochenlange Dürre lässt Böden und Pflanzen austrocknen. Vor der eigenen Haustür sieht es noch nicht ganz so schlimm aus, aber auch hier nehmen Wetterextreme zu. Ursache sind viel zu viele versiegelte Böden, zu viele Straßen, zu viele Autos, zu viel CO2. Wir brauchen uns nicht herauszureden: Wir wissen das alles, wir bekommen es täglich buchstabiert in den Nachrichten, den Zeitungen, im Internet.

Das zeigt mir: Erntedank ist ein wichtiges Fest und es wird jedes Jahr wichtiger. Denn offensichtlich neigen viele Menschen dazu, mehr und mehr zu wollen und dafür die Schäden an der Schöpfung und anderen Menschen in Kauf zu nehmen. Die Bibel antwortet darauf mit klaren Worten: „Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du deinen Gott loben.“ Ich ergänze: Und dir klar machen, dass das alles nicht auf deinem Mist gewachsen ist, sondern biblisch gesprochen – Gott den Menschen die gute Schöpfung überlassen hat, um verantwortlich darin zu leben. Denn der Mensch ist ja Teil der Schöpfung. So wie alles andere auch ein Geschöpf Gottes.

Lebenskunst
Sonntag, 2.10.2022, 7.05 Uhr, Ö1

Hier gilt es rasch zu handeln

Diese beiden Schritte können gut münden in einen dritten: Zuerst danken für die Ernte, zweitens Verantwortung übernehmen für die Schöpfung und im dritten Schritt sich und seine Kraft einsetzen für die Schöpfung. Denn auch das sagt die Bibel hier sehr deutlich: „Komm nicht auf die Idee, dass es deine Stärke und deine Kräfte sind, die den Reichtum der Menschen hervorgebracht haben.“ Gott ist es, der den Menschen die Kraft, Stärke und Vernunft gibt, den Boden zu bebauen und zu bewahren. Das ist ein Geschenk Gottes.

Deswegen ist es vollkommen eindeutig, dass diese Kraft selbstverständlich eingesetzt werden muss für das Wohlergehen der Menschen – und zwar aller Menschen. Das geschieht derzeit nicht, ich denke, das kann niemand bestreiten. Aber Erntedank meint auch, die Herzen zu öffnen für diejenigen, die leiden unter dem, was die Menschen mit der Erde gemacht haben und leider nach wie vor machen. Hier gilt es rasch zu handeln. Und ich meine: Verantwortlich dafür sind wir alle.