Lebenskunst 2.4.2023, Stefan Schröckenfuchs

Bibelessay zu Johannes 12,12-19

Das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem wirkt wie eine gezielte Provokation. Jesus ist zu jenem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Popularität.

Kein Wunder: Folgt man der Darstellung des Evangelisten Johannes, so hat er wenige Tage zuvor mit der Auferweckung des Lazarus sein größtes Wunder vollbracht. Entsprechend groß ist die Faszination, die von ihm ausgeht. Entsprechend groß ist auch die Hoffnung, die viele in ihn setzen.

Pastor Stefan Schröckenfuchs
ist Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich

Die Dynamik der Jesusbewegung

Jesu Popularität wird jedoch auch zur Gefahr. Seine Heimat steht zu jener Zeit unter römischer Verwaltung – als römische Provinz Palaestina. Die vielen religiös und politisch motivierten Aufstände jener Zeit, werden von den Besatzern mit Gewalt unterdrückt. Als die religiöse Elite Jerusalems die Dynamik der Jesusbewegung erkennt, ist sie beunruhigt und beschließt seinen Tod. Unter dem Motto: „Besser, ein Einzelner stirbt, als die ganze Nation.“ Jesus aus Nazareth wird bereits per Haftbefehl gesucht. So schildert es der Verfasser des Johannesevangeliums.

Entsprechend aufgeladen ist die Situation, als Jesus wenige Tage vor dem jüdischen Pessachfest Jerusalem erreicht. Als die Volksmenge von seinem Kommen hört, bereiten sie ihm einen Empfang wie einem König. Der Evangelist benutzt hier wohl bewusst Worte aus dem Bereich der Politik. Auch die Palmzweige der Volksmenge galten als Symbol für königliche Macht, die Frieden garantiert.

Ein Empfang für einen nicht von Rom legitimierten König müsste aus römischer Sicht eindeutig als Provokation verstanden werden. Entsprechend nervös fällt die Reaktion der Pharisäer, einem Teil der religiösen Elite, aus. Gleichzeitig wirken sie auch resigniert: „Da merkt ihr, dass ihr nichts machen könnt“, sagen sie. „Alle Welt läuft ihm nach!“

Die Provokation eines Eselritts

Hat Jesus diesen Einzug bewusst inszeniert? Der Evangelist deutet dies nicht an. Jesus weist die, die ihn so willkommen heißen, aber auch nicht zurück. Nur durch eine kleine Geste fügt er dem Jubel eine neue Dimension hinzu. Er findet einen jungen Esel und setzt sich darauf. So bekommt der triumphale Einzug einen fast humorvollen Aspekt: Jeder König mit weltlichem Herrschaftsanspruch hätte ein repräsentativeres Reittier gewählt.

Lebenskunst
Sonntag, 2.4.2023, 7.05 Uhr, Ö1

Nicht einmal die engsten Vertrauten Jesu verstehen diese Geste sofort. Erst nach Jesu Auferstehung erinnern sie sich an das Wort des Propheten Sacharja, wie es auch im Buch Sacharja im Ersten Testament zu lesen ist: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Retter ist er. Er ist arm und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel, geboren von einer Eselin. Dann werde ich die Streitwagen aus Efraim beseitigen und die Schlachtrosse aus Jerusalem. Wenn die Waffen des Krieges zerbrochen sind, wird euer König Frieden stiften unter den Völkern.“ (Sacharja 9,9)

Erst der Verzicht auf gewaltsame Herrschaft und Dominanz macht wahren Frieden möglich. Auf diese Weise will Jesus tatsächlich König sein. Und zeigt so, worin königlicher Dienst besteht: In Hingabe, für die, die einem anvertraut sind. In diesem Sinne bleibt der Einzug Jesu in Jerusalem eine Provokation für Machthaber bis zum heutigen Tag.