Lebenskunst 10.4.2023, Elisabeth Birnbaum

Bibelessay zu Lukas 24, 13-35

Die Emmausgeschichte gehört für mich zu Ostern dazu, wie die Feier der Osternacht oder das Osterei. Doch obwohl ich die Geschichte so gut kenne, entdecke ich darin jedes Mal, wenn ich sie lese, einen neuen Aspekt.

Dieses Mal sind mir drei Parallelen aufgefallen, die mich spontan an das Schema „Vorher-Nachher“ vieler Werbespots erinnert haben: Das „Vorher“ zeigt ein Problem, dann wird ein Wundermittel präsentiert und das „Nachher“ zeigt, wie das Problem gelöst ist.

Elisabeth Birnbaum
ist Theologin und Bibelwissenschaftlerin

Ähnlichkeiten damit sehe ich in dieser Geschichte

Das „Vorher“ zeigt zwei Menschen, die auf Jesus von Nazaret vertraut haben und nun, nach seinem schmachvollen Tod am Kreuz, enttäuscht von Jerusalem weggehen. Sie entfernen sich von den anderen Jüngern Jesu, die in Jerusalem geblieben sind, weil sie irgendwie auf sein Weiterleben hoffen. Die zwei dagegen kehren mutlos nach Hause zurück. Ihre Augen sind lange Zeit „gehalten“, sie erkennen nicht, dass der Auferstandene bei ihnen ist. Und als er zu ihnen spricht, ist ihr „Herz träge“, sie bleiben mutlos.

Das „Nachher“ zeigt zwei Menschen, denen das Herz wieder brennt. Zwei Menschen, denen die Augen aufgegangen sind, die nach Jerusalem aufbrechen und zu den anderen Jüngern zurückkehren. Mutige, hoffnungsvolle, hellsichtige und begeisterungsfähige Menschen.

Lebenskunst
Ostermontag, 10.4.2023, 7.05 Uhr, Ö1

Drei Arten von Begegnung

Was ist nun das Wundermittel, das diese Wendung bewirkt? Es ist Begegnung! Genauer: Es sind drei Begegnungen, die ihnen zuteilwerden.

Erstens werden sie mit ihrer eigenen verzerrten Wahrnehmung konfrontiert. Ihr Problem liegt nicht in der Tatsache, dass der erhoffte Messias getötet wurde, sondern in ihrer emotionalen Lähmung und in ihrer Fokussierung auf die Vergangenheit. Sie lassen sich von ihren Ängsten und Enttäuschungen so in Beschlag nehmen, dass sie nichts anderes mehr denken und sehen. Das erkennen sie nun.

Zweitens wird ihnen eine neue, besondere Begegnung mit der Heiligen Schrift zuteil. Sie erkennen in den Texten plötzlich den tieferen Sinn der Geschehnisse und dass Leid und Tod, nicht das letzte Wort haben, selbst wenn es oft so scheint.

Jesus ist gegenwärtig

Und drittens ermöglicht ihnen das gemeinsame Mahlhalten die Begegnung mit dem Auferstandenen selbst: Wenn sie miteinander und mit anderen das Brot teilen – und sich damit auch der Auferstandene selbst mit-teilt, so erkennen sie, dass Jesus auf diese Weise immer gegenwärtig ist und dass sie, als seine Jünger, keinen Grund haben, verzweifelt und mutlos zu sein.

Das Wundermittel, das aus mutloser Abkehr begeisterte Rückkehr, aus trägen Herzen brennende Herzen und aus gehaltenen Augen offene Augen macht, heißt also Begegnung: Mit sich selbst und der eigenen verzerrten Wahrnehmung, mit der Bibel als einer Schrift mit heilsamer, hoffnungsstiftender Botschaft – und für mich als Christin mit Jesu bleibender Gegenwart – im gemeinschaftlichen solidarischen Tun.

„Vorher-Nachher“. Der Vergleich macht mich sicher!