Lebenskunst 7.5.2023, Thomas Hennefeld

Bibelessay zu 1 Samuel 16,14-23

Ich bin missmutig und bedrückt, antriebslos und voller Sorgen. Da höre ich aus dem Radio, das nebenbei läuft, die ersten Töne des Bachchorals „Jesu bleibet meine Freude.“ Das gehört zu meiner Lieblingsmusik.

Es hellt sich in mir etwas auf. Meine Stimmung ändert sich schlagartig, ich fühle mich fast wie verwandelt. Ich drehe das Radio lauter und lausche der himmlischen Musik. Die Melodie geht mir zu Herzen, berührt meine Seele und ich denke: Das Leben ist schön.

So eine ähnliche Erfahrung hat schon der biblische König Saul gemacht, der erste König Israels. In der eben gehörten Bibelstelle aus dem ersten Buch Samuel wird berichtet, dass der Geist Gottes König Saul verlassen hat, schlimmer noch, er wurde von einem bösen Geist befallen, also war Saul von allen guten Geistern verlassen. Die Auswirkungen waren für Saul dramatisch.

Thomas Hennefeld
ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich

Da nahm David die Leier und griff in die Saiten

Das bekam auch seine Umgebung mit. Der König wurde schwermütig und er wurde von dem bösen Geist in Angst und Schrecken versetzt. Mit so einem König ist nicht mehr viel anzufangen. Jeder Mensch ist in solch einem Fall arm dran, ihm muss geholfen werden, aber hier ging es um den Herrscher eines ganzen Reiches. Und wenn sich einmal zerstörerische Kräfte breitmachen, dann kann sich das auch auf Volk und Gesellschaft negativ auswirken. Bis heute werden Herrscher von den bösen Geistern der Machtgier, des Nationalismus und eines autoritären Führungsstils befallen und gefährden demokratische Strukturen, auch in Europa.

Die Diener des Königs wussten, wie sie ihm helfen konnten. Schon damals war anscheinend bekannt, dass Musik einen Menschen aufheitern könne. Heute ist Musiktherapie eine anerkannte Methode, Menschen von ihren Depressionen zu befreien und einen Heilungsprozess in Gang zu setzen. Manchmal hilft eine Gesprächstherapie, manchmal braucht es Formen jenseits des Rationalen, etwas, das das Gefühl im Menschen anspricht und die Seele berührt. Das vermag manchmal die Musik, der Klang von Instrumenten oder menschlicher Stimmen.

Die Diener des Königs machten sich auf die Suche nach einem Menschen, der nicht nur begabt war und das Harfenspiel beherrschte, sondern auf dem auch noch der Geist Gottes lag. Das Harfenspiel Davids fand buchstäblich Anklang beim schwermütigen König und befreite ihn von seiner Depression, zumindest zeitweilig. Später allerding nützte die Musik nichts mehr, als die beiden erbitterte Feinde wurden und Saul, David nach dem Leben trachtete.

Lebenskunst
Sonntag, 7.5.2023, 7.05 Uhr, Ö1

Musik kann auch Wunder bewirken

Musik ist kein Zaubermittel, es kann nicht nur der Heilung dienen, sondern auch der Manipulation und Instrumentalisierung. Besser man baut auf starke Strukturen, in denen Macht auf vielen Schultern verteilt ist und Kontrollmechanismen greifen, als darauf, dass Machthaber mittels Musiktherapie sich ihrer Aufgabe als Diener des Staates besinnen. Und doch, scheint mir, könnte es nicht schaden, wenn sich selbstverliebte und abgehobene Politikerinnen oder Politiker, Menschen in verantwortungsvollen Positionen, hin und wieder einer Musiktherapie unterzögen. Musik kann auch Wunder bewirken und die Seelen der Menschen berühren, Menschen aufheitern und Traurigkeit in Fröhlichkeit verwandeln, das jedenfalls halte ich für möglich.

In himmlischer Musik, so wie ich den anfangs erwähnten Choral von Bach empfinde, kann die Verbundenheit mit dem Universum spürbar werden, können sich Lebensfreude und Zuversicht breit machen, kann etwas zum Ausdruck kommen, was auch bei den biblischen Psalmen zu finden ist, von denen einige dem späteren König David zugeschrieben wurden: Gott zu danken mit Saitenspiel für seine Treue und zur Harfe ein Loblied singen, wenn einen gerade das Gefühl überkommt: Das Leben ist schön.

Dort, wo himmlische Klänge die Seele erreichen. So kann ein Mensch befreit und glücklich werden. Er ist dann auch für die Mitmenschen genießbarer und verträglicher. Und falls er ein König ist, auch nützlicher für die Gesellschaft.