Lebenskunst 18.5.2023, Regina Polak

Bibelessay zu Apostelgeschichte 1,1-11

Heute, am 40. Tag der Osterzeit, wird in der katholischen, der evangelischen und der anglikanischen Kirche das Hochfest Christi Himmelfahrt gefeiert. Auch in der orthodoxen Kirche wird es am 40. Tag nach Ostern gefeiert, das ist nach dem julianischen Kalender der 25. Mai, also in einer Woche.

Von dieser Aufnahme Jesu in den Himmel berichten in der Bibel das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte, aus der die eben gehörte Lesung stammt. Vielen Menschen ist dieses Bild freilich heute sehr fremd geworden. Die Vorstellung, dass da jemand von einer Wolke aufgenommen wird und in den Himmel auffährt, erscheint ihnen bestenfalls als frommer Mythos. In der Zeit, in der dieser Text entsteht, ist die Vorstellung der Entrückung herausragender Personen in den Himmel aber ein vertrautes Motiv.

Vom Himmel und Erde

In der alttestamentlichen und jüdischen Tradition wird zum Beispiel von der Entrückung des Propheten Elias erzählt. Die hellenistische Umwelt kennt solche Erzählungen von Romulus oder dem Kaiser Augustus. Die damaligen Hörerinnen und Hörer solcher Geschichten wissen, dass damit die besondere, ja göttliche Bedeutung dieser Personen beschrieben wird. So hat auch die Erzählung von Christi Himmelfahrt eine theologische Bedeutung. Sie steht am Beginn der Geschichte der frühen Kirche, von deren Entstehung die sogenannte Apostelgeschichte berichtet, ein Buch im Neuen Testament.

Regina Polak
ist Theologin und Religionssoziologin

Dieser Beginn erzählt von zwei verschiedenen Wegen. Der eine Weg ist der Weg des auferstandenen Jesus von Nazareth, der zu Gott führt und – so sagt es die kirchliche Tradition – seinen Platz zur Rechten des Vaters einnimmt und auf diese Weise gegenwärtig bleibt. Die Jünger aber haben einen anderen Weg vor sich. Sie sollen nun in die Welt hineingehen und weitererzählen, was sie mit Jesus erlebt haben, was sie von ihm gelernt haben.

Evangelium in Wort und Tat verkünden

Der Auftrag dazu hört sich in der Apostelgeschichte allerdings ziemlich unwirsch an. Zwei Männer in weißen Gewändern sagen zu den Aposteln: „Ihr Männer von Galiläa, was steht Ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Das klingt für mich wenig einfühlsam und ziemlich unfreundlich. Denn ich kann die Jünger sehr gut verstehen, immerhin haben sie gerade ihren Lehrer und Freund verloren.

Ich stelle mir vor, dass in dem unverwandten Blick, von dem die Schriftstelle berichtet, auch jede Menge Abschiedsschmerz und Sehnsucht nach Jesus zu finden waren. Und doch ist es den sehnsüchtig Trauernden nicht gestattet, in diesem Blick gen Himmel zu verharren. Sie sollen sich der Erde, der Wirklichkeit zuwenden und das Evangelium in Wort und Tat verkünden. Damit ihnen dies leichter fällt, erhalten sie von den Männern zugleich eine Zusage: „Ihr könnt euch darauf verlassen, dass Jesus wiederkommt.“ Das gibt Hoffnung, dass man bei dem schwierigen Weg, der nun vor einem liegt, nicht alleine ist.

Lebenskunst
Christi Himmelfahrt, 18.5.2023, 7.05 Uhr, Ö1

„Ihr Männer – und ich darf ergänzen: Ihr Frauen – was steht Ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Dieser Satz gibt mir zu denken. Zum einen, höre ich den Auftrag, nicht in der Anbetung zu verharren, sondern tätig zu werden.

Glaube, Vertrauen und Sehnsucht

So schön und notwendig es für Christinnen und Christen ist, sich immer wieder durch Jesus Christus Gott zuzuwenden, so wichtig ist es zugleich, in dieser konkreten Welt zu leben und diese aus dem Glauben heraus mitzugestalten. Was dabei hilft, ist die Hoffnung auf die Wiederkehr Christi, die katholische Christinnen und Christen in jedem Gottesdienst bekennen.

Zum anderen, aber frage ich mich: Glaube ich, glauben Christinnen und Christen an diese Wiederkehr? Und wie sähe das Handeln von Christinnen und Christen aus, das von einem solchen Glauben getragen ist? Insbesondere in einer Zeit, die von Krisen geschüttelt ist und in der die Blicke vieler Menschen von Angst gebannt auf die Wirklichkeit starren.

Ich glaube, die beiden Männer im weißen Gewand müssten heute zunächst etwas anderes sagen. Zum Beispiel: „Starrt nicht nur auf die Erde, sondern hebt Eure Augen doch einmal empor und blickt zum Himmel!“ Vielleicht müssten sie heute zuerst die Sehnsucht nach dem verschwundenen Jesus wieder wecken, vielleicht müssten sie auch das Vertrauen in die Präsenz Gottes wieder stärken. Denn als Christin glaube ich, dass das Vertrauen in Gott und die Sehnsucht nach ihm die zentrale Quelle sind, sich voller Elan in dieser Welt engagieren zu können.