Lebenskunst 21.1.2024, Elisabeth Birnbaum

Bibelessay zu Markus 1,14-20

Die wenigen Verse erzählen vom Beginn des öffentlichen Wirkens des Jesus von Nazareth.

Der Text stammt aus dem Markusevangelium, dem wohl ältesten der vier Evangelien, und zugleich dem kürzesten und komprimiertesten. Und weil der Text so komprimiert und dicht ist, kommt es beim Lesen oder Hören auf jedes Wort an.

Elisabeth Birnbaum
ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

Die Zeit ist erfüllt

Gleich der allererste Satz: „Nachdem Johannes der Täufer ausgeliefert worden war“, zeigt mir nicht nur den Zeitpunkt, sondern vor allem die Motivation Jesu, mit seiner Verkündigung zu beginnen. Denn Jesus beginnt damit genau in dem Moment, wo Johannes der Täufer mit seiner Verkündigung aufhört, weil er verhaftet und schlussendlich getötet wird. Das halte ich für keinen Zufall: Johannes hat sich mit seiner ganzen Existenz dafür eingesetzt, die anderen zur Umkehr aufzurufen, zur Abkehr von einem Weg, der nicht gut tut.

Und als Johannes das nicht mehr tun kann, übernimmt Jesus seine Aufgabe und ruft seinerseits zur Umkehr. Er setzt das Wirken des Johannes fort, obwohl er weiß, wohin das führen kann und führen wird: zur Verhaftung und in den Tod. Und Jesus tut noch mehr. Er ruft nicht nur zur Abkehr vom bisherigen Weg auf, sondern zeigt auch neue Wege. Er verkündet das Evangelium, auf Deutsch: die Frohbotschaft. Die Botschaft, dass jetzt alles anders wird, dass das „Reich Gottes“, so etwas wie eine heilsbringende Königherrschaft Gottes angebrochen ist. Und damit gibt er den Menschen neue Perspektiven, Freude und Hoffnung.

Lebenskunst
Sonntag, 21.1.2024, 7.05 Uhr, Ö1

Hoffnung bringen

Was hier geschieht, ist für mich der Inbegriff von einem segensreichen Handeln. Kein Wunder, dass in einem anderen Evangelium, im Matthäusevangelium, dieser nüchterne Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa mit einem Jesaja-Zitat illustriert wird: Wenn Jesus nach Galiläa geht und das Evangelium verkündet, ist das für Matthäus gleichbedeutend mit dem Jesaja-Satz: „Das Volk, das im Dunkel saß, / hat ein helles Licht gesehen.“ Jesus wechselt also nicht einfach den Ort und sagt etwas, sondern kommt biblisch gesprochen als Licht zu Menschen, die nicht weiterwissen und keine Hoffnung haben.

So gelesen leuchten die schlichten Verse des Markusevangeliums plötzlich auf und besagen: Da ist einer, der Menschen, die keinen Weg mehr sehen und hoffnungs- und orientierungslos sind, nicht nur sagt, wohin sie sich wenden können, sondern der ihr Leben mit dem Licht der Freude und Hoffnung erhellt. Und zwar trotz und gerade deswegen, weil ein anderer, der ein ähnliches Ziel hatte, dies nicht mehr tun kann. Und trotz und gerade deswegen, weil die Aufgabe so gefährlich ist, dass sie das Leben kosten kann.

Solchen Mut, solche Hoffnung und solches Licht zu verbreiten, finde ich in Zeiten wie diesen ungemein wichtig und nachahmenswert, auch und gerade dann, wenn es gefährlich ist. Denn vielleicht verhilft das anderen dazu, daraus Kraft zu schöpfen und ihrem eigenen Leben eine neue Richtung zu geben.