Lebenskunst 18.2.2024, Caroline Koczan

„Wir können den Wind nicht drehen, aber das Segel neu setzen“

Ich frage mich, wie ich mir in einer Zeit der multiplen Krisen, von Klimakrise bis zur aktuellen Krise im Nahen Osten, die lebensbejahende Kraft der Zuversicht bewahren kann?

„Wir können den Wind nicht drehen, aber das Segel neu setzen.“ Diesen Gedanken hat mir meine Therapeutin auf dem Weg durch meine Lebenskrise mitgegeben. Und ich finde der Gedanke ist ein schönes Bild für die Kraft der Zuversicht. Ich lade Sie ein, mit mir eine kleine Gedankenreise zur Zuversicht zu machen, zu der mich die Philosophin, Theologin und Ordensfrau Melanie Wolfers inspiriert hat.

Zuversicht versus Hoffnung

Caroline Koczan
ist Schauspielerin, Sängerin, akad. Freizeitpädagogin und zert. Trauma-Pädagogin

Was also ist „Zuversicht“? Und wie unterscheidet sie sich von „Hoffnung“? Beides bedeutet, der Möglichkeit Raum zu geben, dass eine schwierige Situation auch wieder gut werden kann. Für mich ist Zuversicht aber etwas Aktives. Sie motiviert mich zu handeln, meine Situation anzuschauen und mich zu fragen, wie ich sie annehme, was ich jetzt daraus mache, und fordert mich auf zu einem „Trotzdem“. Im Gegensatz dazu ist für mich Hoffnung etwas Größeres, auf etwas, das ich nicht in der Hand habe. Wie ich von Melanie Wolfers gelernt habe, bedeutet Hoffnung, dem Erhofften den Weg zu bahnen – sich dem Erhofften aktiv zuzuwenden, bedeutet Zuversicht.

Während die Hoffnung zukunftsorientiert ist, entfaltet die Zuversicht im Hier und Jetzt ihre Wirkung, und das unabhängig davon, ob ich ein erhofftes Ziel erreiche oder nicht, denn Zuversicht bedeutet, mich von meinen inneren Werten leiten zu lassen, nicht von der Aussicht auf Erfolg. Deshalb lässt mich Zuversicht auch nicht resignieren. Von dieser Zuversicht lassen sich z.B. die Klimaschutzaktivist:innen leiten.

Mit Entscheidungen verbunden

Hoffnung und Zuversicht sind beide mit einer Entscheidung verbunden. Immer wieder habe auch ich mich entscheiden und mich fragen müssen: Auf welcher Seite stehe ich? Auf der Seite der Angst – oder der Hoffnung? Und was davon tut mir gut? Nelson Mandela drückte es so aus: „Mögen deine Entscheidungen deine Hoffnungen widerspiegeln, nicht deine Ängste!“ Mit der bewussten Entscheidung, mich einer schwierigen Situation zu stellen, habe ich gelernt, wie ich ihr zuversichtlich entgegentreten kann.

Lebenskunst
Sonntag, 18.2.2024, 7.05 Uhr, Ö1

Mit meiner Entscheidung, einen neuen Lebensweg einzuschlagen und einen neuen Beruf zu erlernen, habe ich alte Hoffnungen loslassen müssen. Das ist mir nicht leichtgefallen, aber meine Neuorientierung hat mit meiner inneren Wertehaltung übereingestimmt und deshalb war ich zuversichtlich, das Richtige zu tun.

Ich erinnere mich, dass ich damals viel in die Natur gegangen bin, schon frühmorgens. Dabei habe ich meine Gedanken ordnen können, Schritt für Schritt. Ich bin zuversichtlicher geworden, mein Blick, mein „Ausblick“ hat sich geweitet. Es sind Denk- und Lösungswege entstanden und neue Perspektiven haben sich aufgetan. In dem Wort „Zuversicht“ steckt übrigens das Wort „Sicht“. Nur mit Zuver-Sicht können wir auch im Nebel der Ungewissheit vorwärtskommen, Schritt für Schritt. Soweit die Sicht eben reicht.

Die Brücke über das bodenlose Nichts

Meine Krise hat mir sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen und ich habe das Gefühl gehabt, ins Bodenlose zu fallen. Die Ungewissheit der Zukunft hat sich angefühlt, als ob ich ständig Schritte ins Leere mache. Erst, als ich mich wirklich darauf eingelassen habe, dieses „Neuland“ meiner Situation zu betreten, habe ich entdeckt, dass sich Schritt für Schritt ein Weg bahnt, so wie Hilde Domin schreibt: „Ich setzte meinen Fuß in die Luft, und sie trug.“ Die Zuversicht kann die Brücke sein über das bodenlose Nichts.

Buchhinweis
Melanie Wolfers: „Zuversicht – Die Kraft, die an das Morgen glaubt: Die Kraft der Zuversicht“, Verlag bene!

Die Vergangenheit kann ich nicht mehr rückgängig machen, die Zukunft ist ungewiss und kann ich nur bedingt beeinflussen, aber im Hier und Jetzt kann ich gestalten. Gestalten kann ich, wenn ich mir meiner Ressourcen bewusst bin und diese wirken wie „Zuversichtsverstärker“: Meine Erfahrungen, meine Fähigkeiten, Kreativität, vertrauensvolle und haltgebende Beziehungen zu meiner Familie, zu Freunden und Freundinnen, die Natur, meine Tagesstruktur – all das hat mir das Gefühl gegeben, nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern handlungsfähig zu sein.

Ich habe auch erkannt, dass Zuversicht mit Dankbarkeit beginnt, für alles, was in meinem Leben gut gelungen ist, und mit dem Bewusstsein, dass, was einmal gut gelungen und gut geworden ist, auch wieder gut gelingen und gut werden kann.

Mit Humor geht es leichter

Auch meine Spiritualität ist mir, trotz aller Zweifel, eine Kraftquelle gewesen. Sie hat mich erkennen lassen, dass ich geborgen bin in einer allumfassenden Liebe, die es gut mit mir meint und mich der Verzweiflung nicht ausliefern will. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich beim Namen gerufen, du bist mein!“ Diese Zusage aus dem Buch Jesaja ist mir immer ein großer Trost gewesen.

Der Zuversichtsverstärker HUMOR hat mir zumindest zeitweise eine wohltuende Distanz verschafft. Ein jiddisches Lied, das ich selbst früher oft gesungen habe, erzählt, wie aus einer aussichtlosen Situation mit Zuversicht aus einem alten Mantel erst ein Rock, dann ein Gilet, ein Schlips, ein Knopf und zuletzt ein Garnichts wird. Zuallerletzt allerdings – nein! Die Pointe verrate ich nicht. Nur so viel: aus einer aussichtslosen Situation kann Humor werden.