Desmond Tutu 2013
Reuters/Mark Wessells
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Nachruf

Desmond Tutu ist tot

Die Welt verneigt sich vor dem Anti-Apartheid-Kämpfer Desmond Mpilo Tutu. Der anglikanische Erzbischof sei im Alter von 90 Jahren gestorben, teilte die südafrikanische Regierung am Stefanitag mit. Neben Papst Franziskus und Queen Elizabeth II. würdigten zahlreiche internationale Spitzenpolitiker sein Wirken.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama würdigte Tutu als einen „Mentor, einen Freund und einen moralischen Kompass für mich und so viele andere.“ Obama hatte Tutu 2009 mit einer Freiheitsmedaille im Weißen Haus geehrt. Reaktionen auf die Nachricht vom Tod Tutus kamen auch aus Österreich. „Er hat sich für Menschenrechte stark gemacht und für eine friedliche Welt“, schrieb Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf Twitter. „Sein Wirken ist eine große Inspiration für uns alle“.

Wie auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hob er Tutus entschlossenen Kampf gegen die Apartheid hervor. „Tutu war eine moralische Instanz, sein Tod ist ein schmerzlicher Verlust“, so Nehammer. „Sein Einsatz, sein Wort und seine Taten werden unvergessen bleiben.“

Reaktionen von Papst und Queen

Die Queen erinnerte an seine „große Herzlichkeit und seinen Humor“, den sie bei mehreren Treffen erlebt habe. Auch Papst Franziskus, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, reagierte auf die Todesnachricht. Er sei betrübt über das Ableben des Südafrikaners, heißt es in einem Beileidstelegramm von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Sonntag. Darin werden auch die unablässigen Bemühungen Tutus um Frieden und Versöhnung in seiner Heimat hervorgehoben.

Der Friedensnobelpreisträger war jahrzehntelang das moralische Gewissen Südafrika und trug maßgeblich zur Überwindung der Apartheid bei. Der Tod Tutus sei ein weiterer „schmerzlicher Verlust“ in einer Generation außergewöhnlicher Persönlichkeiten, die ein freies Südafrika geschaffen hätten, hieß es in einer Würdigung von Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa. Für eine moralisch-ethische Orientierung im neuen Südafrika mangelte es Tutu ebenso wenig an Charisma und Autorität wie seinem Freund Nelson Mandela, Friedensnobelpreisträger und erster schwarzer Präsident des Landes.

Anti-Apartheid-Kämpfer Desmond Tutu gestorben

Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Er hat für Vielfalt und gegen Apartheid und Rassismus gekämpft. Der ehemalige anglikanische Erzbischof von Kapstadt galt als „Gewissen Südafrikas“.

Einsatz für Versöhnung

Tutu brauchte aber kein politisches Amt, um gehört zu werden. Zu Apartheidzeiten verdammte er die systematische Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit als unmoralisch und unvereinbar mit Gottes Wort. Im demokratischen Südafrika wurde er dann ein Verfechter für die Aussöhnung zwischen Schwarzen und Weißen: „Ohne Vergebung kann es keine Zukunft geben.“

Tutu sei friedlich im Pflegezentrum Oasis Frail in Kapstadt verstorben, teilte Ramphela Mamphele, die Vorsitzende des Erzbischof Desmond Tutu IP Trusts, im Namen der Familie mit. Zur Todesursache machte sie keine Angaben. „Der Erzbischof war ein moralischer Kompass für unsere Gesellschaft“, sagte Verne Harris von der Nelson-Mandela-Stiftung im TV-Sender eNCA. Er sei seiner Zeit oft voraus gewesen.

Das Nobelpreiskomitee sprach in einer Stellungnahme von einer „betrüblichen Nachricht“, der britische Premierminister Boris Johnson würdigte Tutu als wichtige Persönlichkeit beim Aufbau eines neuen demokratischen Südafrika. David Sassoli, der Präsident des Europaparlaments, würdigte ihn als eine echte Inspiration und „einen Giganten im Kampf gegen Südafrikas Apartheid“.

Friedensnobelpreisträger und Anti-Apartheid-Aktivist Erzbischof Desmond Tutu
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Erzbischof Desmond Tutu ist tot. Es war Südafrikas Ikone im Kampf gegen die Apartheid.

Kämpfer gegen Apartheid

Der spätere Erzbischof von Kapstadt wurde am 7. Oktober 1931 in Klerksdorp westlich von Johannesburg geboren und arbeitete zunächst als Lehrer. 1961 wurde Tutu zum anglikanischen Priester geweiht und studierte für einige Jahre in Großbritannien.

1975 kehrte der Theologe nach Südafrika zurück und engagierte sich zunehmend auch politisch gegen die Apartheid. 1976 wurde Tutu Bischof von Lesotho und zwei Jahre später Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats (SACC), einer der wichtigsten Institutionen im Kampf gegen die Apartheid. Papst Franziskus nannte Tutu neben Martin Luther King und Mahatma Gandhi eine Inspirationsquelle für seine Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ aus dem Jahr 2020.

Nach seinem Rücktritt als Erzbischof von Kapstadt 1996 wirkte Tutu als Vorsitzender der südafrikanischen „Wahrheitskommission“. Diese sollte Verbrechen im Apartheid-Staat zwischen 1960 und 1994 aufklären. Ziel seiner Kritik war vielfach auch der im Apartheid-Staat verbotene und seitdem regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC).

Einsatz gegen Diskriminierung und Rassismus

2010 zog er sich offiziell aus dem öffentlichen Leben zurück. Dennoch meldet er sich regelmäßig zu Fehlentwicklungen in seinem Land zu Wort und galt als dessen moralische Instanz. Jahrelang unterstützte Tutu unter anderem homosexuelle Paare und engagierte sich für Aids-Kranke. 2019 empfing er den britischen Prinzen Harry und Herzogin Meghan mit ihrem Sohn Archie. Im Juni 2020 meldete sich Tutu angesichts der Proteste in den USA wegen des gewaltsamen Todes des Afroamerikaners George Floyd zu Wort. Er verurteilte einen weltweiten „Alltagsrassismus“.

Es sei eine „unangenehme Wahrheit“, dass die Leben bestimmter Gesellschaftsgruppen als wertvoller erachtet würden als die von anderen, so die Stiftung des früheren Anti-Apartheid-Aktivisten. Floyds letzte Worte „Ich kann nicht atmen“ sprächen „für Milliarden Menschen, die man ihrer Rechte beraubt hat, weil sie arm, schwarz, eine Frau, homosexuell sind oder einen ’anderen# Glauben haben“, so die Organisation des emeritierten anglikanischen Erzbischofs.

Desmond Tutu mit seiner Frau Leah 2013
APA/AFP/Ruvan Boshoff
Mit seiner Frau Leah 2013

Dem anglikanischen Theologen hat Südafrika unter anderem das weitgehend gewaltfreie Ende des rassistischen Apartheid-Systems in den 1990er Jahren zu verdanken. In all den Jahren seines Kampfes für die Rechte der Schwarzen in Südafrika hielt Tutu am unerschütterlichen Glauben an einen gewaltlosen Wandel und einer Aussöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen fest. Auch für den Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung sprach sich Tutu aus – um nicht „weiter die Zerstörung der menschlichen Zukunft zu finanzieren“.

Nationale Versöhnung

Als Leiter der Nationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission sorgte Tutu nach dem Ende der Apartheid mit großer Ausgewogenheit und Beharrlichkeit für Aufarbeitung der Geschichte des Apartheid-Regimes und trug damit maßgeblich zur nationalen Versöhnung seines Landes bei.

In seinem Abschlussbericht der Kommission, die fast 22.000 Zeugen anhörte und Berge von Archivmaterial durchforstete, warf Tutu 1998 nicht nur den Schergen des Apartheid-Regimes schwere Menschenrechtsverletzungen vor, sondern kritisierte auch Mitglieder des inzwischen regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) wegen einer Reihe von Gräueltaten.

„Volksheld“ im Einsatz für den Frieden

Durch seine zahlreichen Auslandsreisen und Publikationen, in denen er den wirtschaftlichen Boykott seines Landes forderte, gelang es dem charismatischen und gewandten Redner, die Weltöffentlichkeit zunehmend für die innenpolitische Situation in Südafrika zu interessieren.

Desmond Tutu 2018
Reuters/Sumaya Hisham
Desmond Tutu bei einer Enthüllungsfeier für eine Nelson-Mandela-Statue 2018

Den Höhepunkt seiner geistlichen Karriere erreichte Tutu 1986, als er zum Erzbischof von Kapstadt und damit als erster Schwarzer zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche in Südafrika ernannt wurde. Für die schwarze Bevölkerung wurde Tutu schnell zum Volkshelden, aber auch viele weiße Südafrikaner waren fasziniert von seinen Ideen einer Aussöhnung der südafrikanischen Gesellschaft. Als dann Präsident Frederik Willem de Klerk im Herbst 1989 den Dialog mit der schwarzen Bevölkerung aufnahm, war Tutu einer seiner ersten Gesprächspartner.

Zahlreiche Auszeichnungen

Für seinen Einsatz wurde Tutu vielfach ausgezeichnet. 2013 erhielt er den Bilbao-Preis der UNESCO zur Förderung der Menschenrechte, 1984 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Weiters erhielt er den Martin-Luther-King-Preis, den in den USA verliehenen katholischen Friedenspreis „Pacem in Terris Award“ sowie mehrere Dutzend Ehrendoktorwürden. Eine davon wurde Desmond Tutu im Juni 2009 von der Universität Wien verliehen.

Südafrika: Trauer nach Desmond Tutus Tod

Erzbischof Desmond Mpilo Tutu, Friedensnobelpreisträger und Südafrikas Ikone im Kampf gegen die Apartheid, ist tot. Er starb im Alter von 90 Jahren. Tutu galt in Südafrika als moralische Instanz. Die Trauer um ihn ist groß.

Mit dem ihm eigenen Humor meinte Tutu im Jänner 1997, als bei ihm Prostatakrebs festgestellt wurde: „Es hätte schlimmer kommen können: Ich hätte mein Gedächtnis verlieren können!“ Gesundheitlich erholte er sich wieder, obwohl er ab 2015 mehrfach ins Krankenhaus musste.

Tutu hinterlässt Frau und Kinder

Tutu hinterlässt seine Frau Leah, einen Sohn und drei Töchter. Seine letzten 24 Stunden würde er gerne mit seiner Familie verbringen, hatte er 2014 dem Magazin „Cicero“ gesagt – und mit etwas Augenzwinkern hinzugefügt: „Ich werde ihnen sagen, dass sie auf sich aufpassen und füreinander sorgen sollen – besonders für ihre Mutter; andernfalls werde ich zurückkehren und sie heimsuchen!“