Religionsgipfel

Wiener Rabbiner: Diskriminierung ist Sakrileg

Zu einem furchtlosen Auftreten gegen alle Formen von Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Diskriminierung hat der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister beim aktuellen internationalen G20-Religionsgipfel aufgerufen.

Es handle sich dabei um eine „religiöse Pflicht“, die umso mehr betont werden müsse, als die Ideale von Gleichheit, Würde und Gerechtigkeit für jeden Menschen zwar den Kern religiöser Überzeugungen ausmachten, der Abgleich mit der Realität der heutigen Welt „und auch in religiösen Kreisen“ aber „weit davon entfernt ist zusammenzupassen“, wie Hofmeister sagte.

„Diskriminierung, Unterdrückung und der Missbrauch anderer, sei er sozial, wirtschaftlich oder körperlich, ist zweifellos nichts weniger als ein Sakrileg“, so der Wiener Gemeinderabbiner. Hofmeister äußerte sich am Donnerstagabend bei einem Plenum über das Potenzial religiöser Akteure im Vorgehen gegen weltweite Benachteiligungen von Frauen, jungen Menschen und Schutzbedürftigen wie etwa Flüchtlingen und deren Empowerment.

Groß angelegte Onlinekonferenz

Weitere Rednerinnen waren u. a. „Religions for Peace“-Generalsekretärin Azza Karam und die UNO-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt bei Konflikten, Pramila Patten.

Der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister
ORF
Der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister

Rahmen dafür ist das noch bis Samstag in Form einer groß angelegten Onlinekonferenz tagenden und vom Wiener Dialogzentrum KAICIID mitorganisierte G20 Interfaith Forum. Hunderte Religionsführer, Experten und Politiker beraten dabei über die Folgen der Coronavirus-Pandemie und Strategien gegen gewaltsame Konflikte, Klimawandel, Hassrede und Menschenhandel. Die Ergebnisse sollen Ende November den Staats- und Regierungschefs der führenden Volkswirtschaften der Welt bei ihrem diesjährigen G20-Gipfel im saudischen Riad vorgelegt werden.

Pandemie verschärft Diskriminierung

Weltweit besuchten 32 Millionen Mädchen im Volksschulalter keine Schule und „jedes fünfte Mädchen wird zu einer frühen Heirat gezwungen“, sagte die UNO-Sonderbeauftragte Patten bei dem Plenum. Die Coronavirus-Pandemie verschärfe die Diskriminierung von Frauen. „Nicht das Virus, aber seine Auswirkungen diskriminieren“, sagte Patten. Es sei an der Zeit, „dass religiöse Führer ihre moralische Autorität einsetzen, um gegen geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen“.

Interreligiöse Zusammenarbeit sei eines der wirksamsten Mittel, um die Dynamik des Empowerments, also der Ermächtigung von Frauen, und die Gleichstellung der Geschlechter zu stärken, so „Religions for Peace“-Generalsekretärin Karam. Das sei „eine Lektion, die wir in jahrzehntelanger Arbeit gelernt haben“.

Frauen nicht nur „Opfer“

Dennoch sei es wichtig, über Frauen nicht nur als „Opfer“ zu sprechen, sondern vielmehr als einen bedeutenden Teil der Bevölkerung, der über immense Stärke und Fähigkeiten verfügt, betonte Karam. „Frauen sind nicht immer die am meisten gefährdeten oder am meisten benachteiligten Personen. Frauen stellen auch ein bemerkenswertes Machtpotenzial dar und gehören zu den kritischsten Akteuren im zivilgesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Raum.“