Vatikan

Pandemie und Konflikte: Papst traf Rot-Kreuz-Chef

Papst Franziskus hat den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, zu einem Gespräch im Vatikan empfangen. Sie sprachen etwa über Covid-19 und internationale Konflikte.

Bei der Begegnung am Montag seien weltweite Konflikte und Herausforderungen auch jenseits der Covid-19-Pandemie Thema gewesen, sagte Maurer dem Portal Vatican News. Dabei würdigte der Schweizer Diplomat auch das jüngste Papstschreiben „Fratelli tutti“, das zu mehr Geschwisterlichkeit unter den Menschen aufruft.

Es gebe viele gemeinsame Anliegen zwischen römisch-katholischer Kirche und Rotem Kreuz, die gerade in der neuen Enzyklika zur Sprache kämen, so Maurer. Gerade die Pandemie zeige, wie wichtig internationale Solidarität sei. Dabei warnte er davor, wegen der Pandemie andere Konflikte aus dem Auge zu verlieren. Alle ursprünglichen Notlagen und Bedürfnisse bestünden weiter.

Tagelöhner von Krise hart getroffen

Besonders verwies Maurer auf die sozialen Folgen der Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie. Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns träfen jene besonders hart, die nicht fest angestellt sind und vor der Coronavirus-Krise als Tagelöhner arbeiteten.

Die Anfang Oktober veröffentlichte Papst-Enzyklika nannte Maurer eine „Hilfe und einen Ansporn“, die Solidarität zu fördern. Das Internationale Rote Kreuz leiste derzeit etwa 40 Prozent seiner Hilfe in Afrika. Im Interview mit „Vatican News“ ging Maurer auch auf die Konflikte um die Ukraine und um Berg-Karabach ein. Diese seien „die heutigen Solferinos“. In der Folge der Schlacht nahe dem norditalienischen Ort Solferino im Juni 1859 war das Rote Kreuz entstanden.

„Tutti fratelli“ und die Rotes-Kreuz-Gründung

Damals beteiligte sich der Schweizer Henri Dunant an den Hilfsmaßnahmen nach der Schlacht in einem improvisierten Lazarett, das im nahe gelegenen Städtchen Castiglione unter freiem Himmel aufgeschlagen wurde. Dabei fand er viel Unterstützung bei der örtlichen Bevölkerung. Dunant berichtete später darüber mit den Worten: „‚Tutti fratelli‘, wiederholen sie gerührt immer wieder. Ehre sei diesen mitleidigen Frauen, diesen jungen Mädchen von Castiglione! Es gab nichts, was sie zurückgeschreckt, erschöpft oder entmutigt hätte. Ihre bescheidene Hingebung kannte keine Müdigkeit und keinen Ekel; kein Opfer war ihnen zu viel.“

Schon diese Worte Dunants erinnern an die Enzyklika von Papst Franziskus, „Fratelli tutti“. Dementsprechend betonte auch der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz nach seinem Treffen mit dem Papst, diese Solidarität sei heute noch der Rote Faden der Hilfsorganisation, die mit dem Titel der neuen Enzyklika globale Solidarität und weltweite Geschwisterlichkeit teile.

Zugriff auf letzte Reserven

In einem aktuellen Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ warnte Rot-Kreuz-Präsident Maurer auch davor, angesichts der Coronavirus-Pandemie Konflikte und Kriege weltweit zu vergessen. Derzeit seien humanitäre Organisationen gefragt wie nie, zugleich sinke jedoch die Bereitschaft vieler Länder, sie finanziell zu unterstützen, beklagte er. Die größte Täuschung bestehe in der Vorstellung, „dass es die anderen Konflikte nicht mehr gibt, weil es Corona gibt“. Alle ursprünglichen Bedürfnisse bestünden weiter, hinzu kämen neue Herausforderungen durch die Pandemie.

Dabei gehe es in vielen Staaten eher um die sozialen Auswirkungen der Maßnahmen gegen Covid-19 als um die direkten gesundheitlichen Folgen der Pandemie. Der wirtschaftliche Lockdown treffe insbesondere jene hart, die schon vor der Coronavirus-Krise Probleme hatten. „Wer ohnehin schon am Rande des Existenzminimums lebte, ist nun endgültig abhängig geworden von humanitärer Hilfe“, so Maurer. Angesichts der Lage rechne er damit, dass zum Jahresende „alle humanitären Organisationen, einschließlich des IKRK, gezwungen sein werden, Programme zu kürzen oder letzte Reserven anzutasten“.

Warnung vor „Impf-Nationalismus“

Maurer warnte mit Blick auf die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 vor „Impf-Nationalismus“ reicher Staaten. „Nationale Priorisierungen könnten verhindern, dass Impfungen und Medikamente zu erschwinglichen Preisen dorthin gelangen, wo sie am nötigsten sind“, sagte er. Diesbezüglich hoffe er auf ein Bewusstsein dafür, dass einer Pandemie nicht mit nationalen Maßnahmen begegnet werden könne.