Lockdown

CoV: Kritik an Ausnahme für Gottesdienste

Ab Dienstag stehen in Österreich weite Teile des Landes wieder still, Kultureinrichtungen müssen schließen, Veranstaltungen sind verboten. Für Kirchen und Religionsgemeinschaften gelten allerdings Ausnahmen: Gottesdienste dürfen weiterhin stattfinden. Daran gibt es Kritik.

Mit scharfen Worten kritisierte die „Initiative Religion ist Privatsache“ in einer Aussendung am Sonntag die Ausnahme für Gottesdienste vom Veranstaltungsverbot als „sachlich nicht gerechtfertigt, klientelpolitisch motiviert und potenziell gemeingefährdend“. Sprecher Eytan Reif kritisierte, dass Schülerinnen und Schüler der Oberstufe während des Lockdowns zuhause bleiben müssen, „religiöse Veranstaltungen“ aber weiterhin möglich sein werden. Anhand dieser Regelung zeige sich, dass in Österreich Religion der Bildung vorgezogen würde, so Reif, der eine „weltanschauliche Diskriminierung“ beklagt.

„Es ist nicht erklärbar, dass religiöse Veranstaltungen, bei denen es nachweislich bereits Übertragungen gab, stattfinden dürfen und andere Veranstaltungen, die der psychischen Gesundheit förderlich wären, nicht zustande kommen", mit diesen Worten wird der praktische Arzt Rainer Brandl in der Aussendung zitiert. Es gab in den vergangenen Monaten Clusterbildungen in Kirchen – etwa in Freikirchen in Oberösterreich, aber auch in einer serbisch-orthodoxen Kirche in Wien.

Atheistischer Verein will schärfere Regeln

In einem Offenen Brief wandten sich in der Causa auch die „Atheisten Österreich“, ein Verein „für Atheisten, Agnostiker und Religionskritische“, an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). „Ausgerechnet im Bereich der Religionsausübung“ sei persönliche Anwesenheit erlaubt, um ein Bedürfnis zu befriedigen, das „kein Grundbedürfnis“ darstelle, so der Vorwurf.

Der Verein kritisiert in dem Schreiben, „falsch verstandene Rücksicht auf die religiösen Bedürfnisse Einzelner“. Gleichsam würden damit „unnötige Cluster“ riskiert, deren Opfer sich letztlich nicht auf die jeweilige Gruppe religiöser Anhängerinnen und Anhänger beschränken würde.

Menschen in den Kirchenbänken im Stephansdom
APA/Erzdiözese Wien/Stephan Schönlaub
Gottesdienste bleiben erlaubt, es wird aber auch mehr Abstand gesetzt

Gerade religiöse Veranstaltungen würden immer wieder zu den sogenannten „Superspreadern“ gehören. „Bitte überlegen Sie sich, wie Sie zum Schutz der Gottesdienstbesucher, von denen viele demografisch in die Risikogruppe fallen, beitragen können, indem Sie Auflagen für Gottesdienste und religiöse Aktivitäten erlassen, die mit anderen Bereichen vergleichbar sind“, heißt es in dem Schreiben an die Regierungsmitglieder.

Regierung steht hinter Entscheidung

Bundeskanzler Kurz sagte auf die Sonderstellung der Religionsgemeinschaften im Ö1-Morgenjournal am Montag: „Der Bereich der Religion ist ein ganz besonders heikler“. Es gehe bei den Einschränkungen immer um die Frage der Abwägung besonderer Grundrechte.

Am Sonntag hatte Kultusministerin Susanne Raab in einer Aussendung erklärt, es sei „wichtig, dass eine gemeinsame Religionsausübung in Form von öffentlichen Gottesdiensten weiterhin möglich sein wird, weil sie den Gläubigen in dieser herausfordernden Zeit auch viel Halt geben“. Raab lobte zudem die bisherige Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften, die „alles tun“ würden, „damit sich das Coronavirus nicht weiter ausbreitet“.

Kultusministerin Susanne Raab und Dompfarrer Toni Faber im Stephansdom
APA/Hans Punz
Kultusministerin Susanne Raab lobte die Zusammenarbeit mit Kirchen- und Religionsvertretern

Religionsfreiheit und damit auch die Feier von öffentlichen und privaten Gottesdiensten ist in Österreich ein von der Verfassung geschütztes Recht. Doch schon davor, im Staatsgrundgesetz 1867, wurde die Religionsfreiheit festgeschrieben. Hintergrund war die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Religion. Der gesetzliche Schutz sollte Verfolgung und Repressalien unterbinden.

Geschichte der Verfolgung als Begründung

Auf die Geschichte bezieht sich auch der Nationalratsabgeordnete Michel Reimon (Grüne) in einem Facebook-Posting, in dem er die Entscheidung, religiöse und politische Veranstaltungen – wie Gottesdienste und Demos – vom Lockdown auszunehmen, verteidigt: „Religionsgemeinschaften wurden in der Geschichte schon grausam verfolgt, Mitglieder von Sportvereinen noch nicht so. Politische Kundgebungen wurden schon mit Gewalt unterdrückt, unpolitische Theatervorstellungen nicht.“

Er reagierte damit auf – auch in den Sozialen Medien – geäußerte Kritik daran, dass die wirtschaftlich besonders hart getroffene Kulturszene mit dem Veranstaltungsverbot weiter beschränkt werde, während religiöse Veranstaltung erlaubt bleiben. Aufgrund der Geschichte der Verfolgung schütze „die Verfassung die Rechte von Religionsgemeinschaften und Kundgebungen besonders vor der Regierung, jene von Sportvereinen und Publikum nicht extra.“

Kirchen verschärfen Maßnahmen

Beim ersten Lockdown im Frühjahr hatten die Religionsgemeinschaften in Absprache mit der Regierung, Gottesdienste freiwillig eingestellt. So waren etwa Kirchen und Moscheen nur noch für das persönliche Gebet geöffnet. Auch damals hatte es keine gesetzliche Verpflichtung dazu gegeben.

Beim neuerlichen Lockdown soll es vorerst weiterhin Gottesdienste geben. Doch die Religionsgemeinschaften verschärfen in Absprache mit dem Kultusministerium ihre Coronavirus-Schutzmaßnahmen. Die römisch-katholische Kirche nannte etwa, den Einsatz von Online-Angeboten, die kürzere Dauer von Gottesdiensten und die Absperrung jeder zweiten Kirchenbank.

Schon in den vergangenen Wochen hatte die katholische Kirche die Schutzmaßnahmen der aktuellen Lage angepasst und laufend verschärft. Schon bisher gilt für Gottesdienste im Innenbereich ein Mindestabstand von einem Meter und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Ab Dienstag ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern bei Gottesdiensten einzuhalten. Besondere Regeln gelten auch bei der Taufe, Erstkommunion und Firmung.