Die Peterskirche im Vatikan mit dem erleuchteten Christbaum davor
APA/AFP/Filippo Monteforte
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Hoffnung

Der Trost von Weihnachten

Eines ist sicher: Dieses Jahr 2020 ist anders als jedes davor – und so ist auch das diesjährige Weihnachten. Durch die Pandemie sind vielfach die Erwartungen an das Fest noch höher als sonst schon. Denn was Freude, Hoffnung und Trost angeht, war Weihnachten schon immer unschlagbar.

Selbst wenn man nicht religiös ist, bietet das Fest viele Elemente, die gemeinhin als Stimmungsaufheller gelten: das Licht von Christbaum und Kerzen, die stimmungsvolle Musik, Düfte, gutes Essen, Geschenke und zumindest die fromme Absicht, im Kreis der Angehörigen ein friedliches Fest zu begehen.

Für Gläubige kommt die christliche Botschaft von Freude und Hoffnung durch die Geburt des Erlösers dazu. Kein Wunder, dass das Fest, das in unseren Breitengraden mitten in die düsterste Jahreszeit fällt, für viele Menschen etwas so Positives bedeutet.

Im Dunkeln scheint das Licht heller

Genau dadurch könne die Erwartung des Festes aber auch überfrachtet werden, sagt der Pastoraltheologe und Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, Johann Pock, im Gespräch mit religion.ORF.at. Auch wenn es in Pandemiezeiten theologisch Sinn ergebe: „Wenn man in der Dunkelheit ist, scheint das Licht heller.“

Bartolome Esteban Murillo: Anbetung der Hirten (um 1657)
Public Domain/Wikipedia
Das Kind als Urbild der Hoffnung (Bartolome Esteban Murillo: „Anbetung der Hirten“, um 1657)

Zentrum von Hoffnungen und Erwartungen

Das Weihnachtsfest als Zentrum von Hoffnungen und Erwartungen: Das ist nichts Neues. „Das Hoffen auf Erlösung in dunkler Zeit, darauf, dass es wieder licht wird – dieses Motiv findet sich schon im Alten Testament, aus der Zeit des Babylonischen Exils“, erklärt Theologe Pock. Aus dieser Zeit, als im sechsten Jahrhundert vor Christus ein großer Teil der Bevölkerung Judäas ins Exil musste, stamme auch die Erwartungshaltung, dass ein Erlöser, der Messias, kommen werde.

Diese Haltung spiegle sich in der Gegenwart, denn auch in der Pandemie wird der Hoffnung Ausdruck verliehen: „Es kommen bessere Zeiten.“ Hier bestehe die Gefahr, das Fest zu überfrachten, dahinter stehe vielfach der Wunsch, „dass es so wird wie früher“. „Der Lichtpunkt muss noch heller scheinen“, wenn es besonders dunkel erscheine – das könne zu überzogenen Erwartungen führen.

Vom „erwählten Volk“ hin zu allen Menschen

Dabei rate er, zwischen Hoffnung und Erwartung zu unterscheiden, denn Letztere werde häufig nicht erfüllt. Die Hoffnung auf Erlösung hingegen habe sich für die Christen in der Geburt des Jesus von Nazareth bereits vollzogen. Die Geschichte um das Kind sei „nachträglich“, durch die Evangelien, vor allem das Lukasevangelium, hinzugefügt worden, erinnert Pock. Denn ursprünglich sei es um die politische Erlösung eines „erwählten“ Volkes gegangen. Diese werde in einer Ausweitung auf alle Völker übertragen.

Eine Frau hält ein kleines Mädchen hoch, damit es den Christbaum dekorieren kann
Getty Images/martinedoucet
Zu Weihnachten ist der Wunsch, „dass es so wird wie früher“, besonders groß

Schon beim Propheten Jesaja gibt es die „Erwartung der Erlösung in Verbindung mit etwas Physischem, auf eine Person, die Frieden und Gerechtigkeit bringt“. So steht im Alten Testament (Jes 7,14): „Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben.“

Erinnerung an Menschen auf der Flucht

Gleichzeitig sei das Fest seit damals „stark individualisiert“ worden, zum Familienfest im engen Kreis. Aber Weihnachten bedeute auch „Hoffnung für die am Rand“. Weihnachten selbst erinnere an Menschen, die auf der Flucht sind.

Pastoraltheologe Johann Pock, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien
Joseph Krpelan
Johann Pock, Pastoraltheologe und Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien

Das Kind selbst stelle das „Urbild“ des Motivs Hoffnung dar: „Leben wird weitergegeben – dieses Lebensmotiv verbindet Weihnachten mit Ostern“, so Pock. In jeder Familienfeier, an der mehrere Generationen teilnehmen, spiegle sich dieses Motiv in den Großeltern, Eltern und Kindern: „Das Leben geht weiter.“

Vor allem sei da auch „die christliche Hoffnung, dass da nicht ein grausamer, uninteressierter Gott im Weltenall herrscht, sondern dass es ein Gott der Liebe ist. Der die Welt ‚so sehr geliebt hat‘“, dass er seinen einzigen Sohn gesandt habe (Joh 3,16).

„Weihnachten kann ein Weckruf sein“

Gerade in schweren Zeiten bestehe die Gefahr, zu viel in das Weihnachtsfest hineinzulegen – viele denken schon lange darüber nach, wie es heuer zu gestalten ist. „Weihnachten kann vieles sichtbar machen und ein Weckruf sein: Einsamkeit, Ausgestoßensein“ werden wie unter der Lupe größer wahrgenommen, so Pock.

Glaube, Liebe, Hoffnung

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei/doch am größten unter ihnen ist die Liebe (1 Kor 13,13).

Auch das, was verbindet, ist heuer anders: „Man bleibt daheim, aber nicht um des eigenen Heils willen“, sondern um andere, Schwächere, zu schützen. Weltweit habe man allerdings gesehen, wie schnell die Staaten in den Nationalismus abgleiten würden, so Pock – Stichwort Verteilung von Impfstoffen. Das Virus aber zeige: „Ein Volk lebt nicht für sich allein. Das Heil muss für alle gelten, nicht nur für Einzelne. Das macht die Pandemie klarer.“

Pock plädiert dafür, die Coronavirus-Krise nicht ausschließlich negativ zu sehen: „Krisen sind Zeiten, in denen man am meisten lernen kann.“ Das gehe bis hin zum Reflektieren der Frage: „Was ist Gott für uns?“

Nicht von beliebigem Schicksal abhängig

Weihnachten als Fest der Menschwerdung Gottes feiere, „dass wir nicht von einem bösartigen oder auch beliebigen Schicksal abhängig sind, sondern von der Liebe“. Liebe sei „Geschenk, unverdient – und weil wir von Gott alles geschenkt bekommen haben (nämlich das Leben, das Menschsein), gehört auch das Schenken zu Weihnachten dazu“, so der Theologe.

Das Thema der Liebe zeige sich nicht nur im Kind in der Krippe, sondern auch in der Liebe zu allen Menschen: Und da schließe sich der Kreis zu den Flüchtlingen aus dem griechischen Lager Moria: „Die Liebe Gottes gilt allen Menschen ohne Ausnahme; sie ist nicht reserviert für einige besonders fromme, reiche, brave Menschen.“