Reaktion der Kirchen

Sterbehilfe-Urteil: Kirchliche Reaktionen fallen unterschiedlich aus

Der Vorsitzende der römisch-katholischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, hat mit „Bestürzung“ auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), die Strafbarkeit der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ aufzuheben reagiert. Die evangelische Kirche begrüßt, dass die Legalisierung der Tötung auf Verlangen höchstgerichtlich zurückgewiesen wurde.

Das Urteil sei ein „Kulturbruch mit dem bisherigen bedingungslosen Schutz des Menschen am Lebensende“ und gefährde die Solidarität, kritisierte der Salzburger Erzbischof.

Während bislang – so Lackner – jeder Mensch in Österreich davon ausgehen konnte, dass sein Leben bis zu seinem natürlichen Tod als bedingungslos wertvoll erachtet wurde, habe das Höchstgericht mit seiner Entscheidung diesem Konsens eine wesentliche Grundlage entzogen.

Der Vorsitzende der römisch-katholischen Bischofskonferenz sprach vor einem „Dammbruch“ und warnte davor, dass mit diesem Urteil des Höchstgerichts der Druck auf kranke und alte Menschen steigen werde, Beihilfe zur Selbsttötung in Anspruch zu nehmen.

„Die selbstverständliche Solidarität mit Hilfesuchenden in unserer Gesellschaft wird durch dieses Urteil grundlegend verändert“, hielt der Erzbischof weiter fest.

Der Salzburger Erzbischof und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Franz Lackner
APA/Roland Schlager
Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner sieht das Sterbehilfe-Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als einen „Dammbruch“

Menschliche Nähe statt Hilfe zur Selbsttötung

„Wer in einer existenziellen Krisensituation wie Krankheit und Lebensmüdigkeit einen Sterbewunsch äußert, braucht keine Hilfe zur Selbsttötung, sondern menschliche Nähe, Schmerzlinderung, Zuwendung und Beistand“, betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.

Nur so könne jeder Mensch sicher sein, dass er in seiner Würde auch in verletzlichen Lebensphasen geachtet und geschützt wird. Lackner wörtlich: „Wir dürfen den Menschen nicht aufgeben, auch wenn er sich selbst aufgegeben hat.“

Vor dem Hintergrund der Entscheidung – so kündigte Lackner an – werde sich die Kirche sowohl in der Palliativ- und Hospizarbeit als auch in der Suizidprävention und Begleitung von Menschen in Lebenskrisen noch intensiver engagieren.

Evangelische Kirche: Auflagen für Suizid-Beihilfe wichtig

In einer ersten Reaktion auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs begrüßen evangelische Kirche und Diakonie, dass die Legalisierung der Tötung auf Verlangen höchstgerichtlich zurückgewiesen wurde.

Das Urteil, das Verbot der Beihilfe zum Suizid aufzuheben, respektiere man. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka erinnert daran, dass die evangelische Kirche in Österreich immer eingetreten sei für „Barmherzigkeit und ein Nachdenken über rechtliche Regelungen, die dem Gewissen Spielraum lassen und für dramatische Ausnahmefälle Möglichkeiten der Straffreiheit vorsehen.“

Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich, Michael Chalupka,
APA/Roland Schlager
Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka erläutert seine Sichtweise

Differenziert reagierte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka auf das VfGH-Erkenntnis: Positiv sei, dass Tötung auf Verlangen nicht straffrei gestellt wurde. Was die Beihilfe zum Selbstmord betrifft, sei das Urteil zu respektieren

Darüber sei der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil hinaus gegangen. Damit die neue gesetzliche Regelung nicht „unbarmherzig“ werde, müsse sichergestellt werden dass weder Missbrauch möglich sei noch dass es zu einer „gewerblichen Suizid-Hilfe“ komme.

Außerdem, so Chalupka, müsse sichergestellt werden, dass aus dem Recht auf Selbstbestimmung keine Pflicht für Ärztinnen und Ärzte erwachse, solche Hilfeleistungen erbringen zu müssen.

Überfälligen Palliativausbau endlich umsetzen

Positiv halten evangelische Kirche und Diakonie fest, dass der Verfassungsgerichtshof betont hat, dass der Zugang zu Palliativversorgung für alle gewährleistet werden muss.

Immer noch – so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser – gebe es „viele Lücken“, obwohl die Parlamentarische Enquete „Würde am Ende des Lebens“ von 2015 einen verbindlichen Stufenplan für den flächendeckenden Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung bis zum Jahr 2020 empfohlen habe.

„Nun ist die Bundesregierung in der Pflicht, den flächendeckenden Ausbau verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Palliativversorgung sicher zu stellen“, so Moser wörtlich. Diese sei nämlich eine der besten Maßnahmen, um den Sterbewünschen zu begegnen.