Justiz

Erster Band des Gefängnistagebuchs von Kardinal Pell liegt vor

In diesen Tagen erscheint der erste von drei Bänden von Kardinal George Pells „Gefängnistagebuch“. In dem insgesamt 1.000 Seiten umfassenden Buch räsoniert der australische Kardinal über Gott, Papst Franziskus und die Welt.

404 Tage verbrachte Pell von seiner Verurteilung als Sexualstraftäter bis zu seinem Freispruch aus Mangel an Beweisen durch das oberste Gericht Australiens im Gefängnis. Für seine zahlreichen Befürworter ist Pell, als Finanzchef einst einer der mächtigsten Männer im Vatikan, das Opfer einer Justizposse.

Für seine ebenso zahlreichen Gegner bleibt der 79-Jährige das Symbol für alles, was in der katholischen Kirche in Australien im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch falsch gelaufen ist.

Verfolgter Christ laut Selbstdarstellung

Pell selbst stellt sich in dem Buch als ein wegen seines Glaubens und seiner Überzeugungen verfolgter Christ dar. Justiz und Medien in Australien wirft er Einseitigkeit und Parteilichkeit vor – genauso wie jenen Kardinalskollegen, denen er während seiner Zeit als Finanzchef des Vatikan durch seinen Kampf gegen Korruption auf die Füße getreten sei.

Den Missbrauchsskandal nennt Pell „den schwersten Schlag, den die Kirche Australiens erlitten hat“. Einmal mehr betont er, lange Zeit nichts davon gewusst zu haben.

Vertuschung oder Unwissen?

„Wenn irgendwer Mitte der 90er-Jahre von dem Ausmaß des Problems gewusst hat, dann hat er es nicht öffentlich oder mir im Vertrauen gesagt“, schreibt Pell. Die staatliche Missbrauchskommission kam dagegen zu dem Schluss, Pell habe schon in den 80er-Jahren das Problem gekannt und sei an dessen Vertuschung beteiligt gewesen.

Gedanken macht sich Pell auch über Politik und Papsttum. So lobt er den „(christlichen) Barbaren“ Donald Trump. Der scheidende US-Präsident habe mit seinen Ernennungen zum Obersten Gericht dazu beigetragen, „den Vormarsch des Säkularismus zu verlangsamen“. Mit Blick auf die Kirchenspitze schlägt Pell vor, zurückgetretene Päpste sollten in Zukunft als „Kardinal X, Papst Emeritus“ wieder Mitglied im Kardinalskollegium sein können.

Neben Macht- und Kirchenpolitik gibt es jedoch auch emotionale Passagen im ersten Band des Gefängnistagebuchs. Ausführlich beschreibt Pell, der in jungen Jahren dem Rugbysport zugetan war, den Alltag hinter Gittern, in dem plötzlich kleine Dinge große Freude bereiten können: ein Teekocher, das Zwitschern eines Vogels oder der Sieg der Rugbymannschaft „Tigers“ aus Melbourne.