Papst Franziskus beim Angelusgebet in der vatikanischen Bibliothek
Vatican Media/Handout via REUTERS
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TV-Interview

Papst bekräftigt Kritik an Sterbehilfe und Abtreibung

Papst Franziskus hat erneut Abtreibungen und Sterbehilfe kritisiert. Im Interview mit dem TV-Sender „Canale 5“ heute warnte er vor der „Kultur des Wegwerfens“. „Wer nicht nützlich ist, wird weggeworfen“, kritisierte der Papst.

Ein Fötus, bei dem eine Krankheit oder Behinderung diagnostiziert wird, werde abgetrieben. Dabei könne man bereits in der dritten Schwangerschaftswoche von einem Menschenleben sprechen. „Abtreibung ist kein religiöses, sondern ein menschliches Problem. Es ist ein Problem menschlicher Ethik. Ist es richtig, ein Menschenleben zu vernichten, um ein Problem zu beseitigen?“, fragte der Papst.

Er warnte auch vor Sterbehilfe: „Niemand darf den Tod eines Kranken oder eines älteren Menschen beschleunigen, damit alles für uns angenehmer wird, damit wir weniger Probleme haben“.

„Wir sind alle Brüder“

Franziskus verurteilte auch die Ausgrenzung von Migranten und gedachte der vielen Menschen, die bei Seefahrten über das Mittelmeer ertrunken sind, bevor sie Europa erreichen konnten. „Diese Personen sind im Mittelmeer ertrunken, weil man sie nicht einreisen lassen wollte. Man darf nicht wegschauen, wir sind alle Brüder“, sagte der Papst.

Im Interview sprach der argentinische Papst auch über das Thema Glauben. "Der Glaube ist ein Geschenk Gottes. Den Glauben kann man nicht kaufen. In schwierigen Situationen öffnen sich einige Menschen und bekommen das Geschenk des Glaubens. Nicht jeder hat diese Möglichkeit, diese Fähigkeit.

Viele Menschen verschließen sich in schwierigen Zeiten noch mehr. Wenn Glaube nicht als Geschenk kommt, gibt es keinen Glauben", meinte Franziskus.

„Jetzt müssen wir an das ‚Wir‘ denken“

Papst Franziskus hat im Interview mit dem TV-Sender „Canale 5“ die Menschen aufgerufen, angesichts der Coronavirus-Pandemie und der Wirtschaftskrise auf das „Ich“ zu verzichten, um nur an das „Wir“ zu denken.

„Niemand rettet sich allein“, mahnte der Papst im Interview mit dem TV-Journalisten Fabio Marchese Ragona im Gästehaus Santa Marta im Vatikan, in dem Franziskus lebt. Der Papst rief zu Realismus im Umgang mit der Pandemie auf. „Um den Ausweg aus dieser Krise zu finden, müssen wir Realisten sein“, sagte der Papst.

Papst rechnet mit längerer Pandemie-Krise

Die Pandemie und die Wirtschaftskrise werden laut dem Papst noch länger dauern. "Aus einer Krise geht man entweder besser, oder schlechter hervor, man bleibt nicht gleich.

Wie kann man besser und nicht schlechter aus dieser Krise hervorgehen? Wenn wir uns für den Weg der Vergangenheit entscheiden, werden wir nicht besser aus der Krise hervorgehen. Man muss alles überdenken", sagte der Papst.

Als drängendste Problemen der heutigen Zeit nannte der Papst, die Lage der in Armut lebenden Kinder. „Es gibt Kinder, die im Krieg geboren wurden und seit zehn Jahren im Krieg leben. Sie wissen nicht, was Frieden ist“, sagte der Papst.

Ein Monat Krieg kostet gleich viel wie ein Jahr Ernährung

Er beklagte die vielen Konfliktherde weltweit. „Wir erleben bereits den Dritten Weltkrieg, einen Weltkrieg in Stücken“, warnte der 84-jährige Papst. Die Ausgaben für einen Monat Krieg könnten ein Jahr lang die ganze Menschheit ernähren, veranschaulichte der Kirchenführer.

Die Lösung für die Probleme der heutigen Zeit seien „Geschwisterlichkeit und Nähe“, sagte der Papst, der vor der „Kultur der Gleichgültigkeit“ warnte. „Gleichgültigkeit tötet, weil sie uns von anderen Menschen entfremdet. Nähe ist das Wort, mit der man Lösungen findet. Mit der Nähe kann man Probleme lösen und die Krise überwinden“, sagte Franziskus.

Politiker sollten an „Wir“ denken

Auch Politiker dürften in der jetzigen Zeit nicht mehr an das „Ich“, sondern nur noch an das „Wir“ denken. "Politik ist eine sehr noble Tätigkeit, wenn sie zum Wachstum der Gesellschaft beiträgt. Doch wenn Politiker nur dem persönlichen und nicht dem gemeinnützigen Wohl nachgehen, ruinieren sie alles.

Ein Politiker, ein Pastor, ein Katholik, ein Bischof, ein Priester, der in der jetzigen Lage nicht an das „Wir“, sondern an das „Ich" denkt, ist der aktuellen Lage nicht gewachsen“, sagte der Papst, der vor Egoismus warnte. Nur mit Einheit könne man Konflikte überwinden.

Nach dem Interview mit dem Papst sendete „Canale 5“, der TV-Sender im Besitz von Italiens Expremier Silvio Berlusconi, den Dokumentarfilm „Chiamatemi Francesco – Il Papa della gente“ (Nennt mich Franziskus – Der Papst der Leute) des römischen Regisseurs Daniele Luchetti. Im Film geht es um die persönliche und spirituelle Geschichte des argentinischen Pontifex Jorge Bergoglio.