Irland

Kindersterben in Heimen: Kirche entschuldigt sich

Nachdem ein Untersuchungsbericht am Dienstag offenbart hat, dass in Mutter-Kind-Heimen für unverheiratete Frauen – größtenteils kirchliche Einrichtungen – zwischen 1922 und 1998 Tausende Babys und Kinder gestorben sind, hat sich die römisch-katholische Kirche entschuldigt.

Der Erzbischof von Armagh und Primas der römisch-katholischen Kirche Irlands, Eamon Martin, sprach von einem „dunklen Kapitel in der Geschichte der Kirche und der Gesellschaft“. Die Kirche sei eindeutig Teil einer Kultur gewesen, „in der Menschen stigmatisiert und abgelehnt wurden“, so Martin. Dafür und „für die lang anhaltenden Verletzungen und emotionalen Belastungen, die daraus entstanden sind, entschuldige ich mich vorbehaltlos bei den Überlebenden“.

In dem 2.865-seitigen Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission heißt es: „Rund 9.000 Kinder starben in den untersuchten Heimen – etwa 15 Prozent aller Kinder, die in den Heimen waren“. Als Haupttodesursachen der Säuglinge und Kinder wurden Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Entzündungen festgestellt. In den Heimen lebten unverheiratete Frauen mit ihren Kindern, die von ihren Familien oft verstoßen und von der Gesellschaft verachtet worden waren. In den Heimen wurden sie allerdings auch diskriminiert.

Frauen als „Brut Satans“ beschimpft

Die Heime wurden von der Regierung kontrolliert und von religiösen Organisationen geleitet. „Die Abwesenheit von professionellem Personal, kombiniert mit einer generellen Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der in den Mutter-Kind-Heimen geborenen Kinder, hat zu der entsetzlichen Säuglingssterblichkeit beigetragen“, heißt es in dem Bericht. Bewohnerinnen der Heime, die anonym bleiben wollten, verglichen die Einrichtungen mit Gefängnissen. Sie seien von Ordensfrauen als „Sünderinnen“ und „Brut Satans“ beschimpft worden.

Der Kommission zufolge war es vor 1960 für die als illegitim erachteten Kinder wahrscheinlicher, in den Heimen zu sterben, als außerhalb. „Es war außerordentlich kalt und harsch für Frauen“, sie seien schlecht behandelt worden und hätten unter der Diskriminierung gelitten, schrieben die Autoren des Berichts. Oft waren die in den Heimen lebenden Frauen durch Vergewaltigungen schwanger geworden, andere hatten gesundheitliche oder psychische Probleme.

Bedauern bei Ordensschwestern

Die Schwestern des Ordens der „Heiligsten Herzen Jesu und Mariens“, die drei der größten Häuser besaßen und betrieben, äußerten ihr Bedauern, dass „so viele Frauen, die von der Gesellschaft verstoßen und beschämt wurden, nicht die Unterstützung und Fürsorge gefunden haben“, die sie in dieser schrecklichen und schmerzhaften Zeit in ihrem Leben benötigt und verdient hätten, wie die „Irish Times“ am Mittwoch berichtete. Die Ordensschwestern sagten, es sei „eine große Trauer für uns, dass Babys unter unserer Obhut gestorben sind“.

Eine Frau und ihr Kind an der Stelle in Tuam, wo ein Massengrab mit Kinderleichen gefunden wurde – am Grund eines katholischen ehemaligen Mutter-Kind-Heimes in Irland
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Im irischen Tuam fand man ein Massengrab mit Hunderten Skeletten von Kindern – eine Gedenkstätte erinnert nun daran

Kinder zwangsadoptiert

Eine Organisation der betroffenen Frauen und Kinder in den Mutter-Kind-Heimen sagte, es dürfe nicht übersehen werden, „dass die Regierung, die römisch-katholische Kirche und die protestantischen Kirchen die Häuser Hand in Hand betrieben haben“.

Der Bericht sei schockierend, aber „unvollständig“, da er das Thema der erzwungenen Trennung von Mütter und ihren Babys ignoriere, heißt es in der „Irish Times“. Säuglinge hatten in den Heimen nicht nur schlechtere Überlebenschancen, sie sind ihren Müttern oft auch weggenommen und im Ausland zur Adoption freigegeben worden.

Massengrab gefunden

Eines der Heime, in dem Frauen und ihre Kinder untergebracht waren, ist das ehemalige St. Mary’s Mother and Baby Home, wie die katholische Nachrichtenagentur Kathpress kürzlich berichtete. Es geriet 2014 erstmals in die Schlagzeilen. Die Lokalhistorikerin Catherine Corless hatte ermittelt, dass zwischen 1925 und 1961 in dem Heim 796 Totenscheine für Babys ausgestellt worden waren. Im gleichen Zeitraum gab es aber lediglich eine beurkundete Bestattung. Auf dem Gelände des Heimes in Tuam, das von den Bon-Secours-Schwestern betrieben wurde, fand man mehrere Hundert Skelette in einem Massengrab. Der Skandal war ausschlaggebend für die Einberufung einer Untersuchungskommission.

Seit Anfang 2015 arbeitete die Kommission Vorgänge aus 14 irischen Mutter-Kind-Heimen und vier Sozialeinrichtungen, sogenannten County Homes, im Zeitraum zwischen 1922 bis 1998 auf. Während dieser Zeit lebten rund 35.000 Frauen in solchen Einrichtungen.