Coronavirus

Medizinethiker: Berufliche Impfpflicht möglich

Der Wiener Medizinethiker und Theologe Matthias Beck hält eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie Pädagoginnen und Pädagogen, Ärztinnen und Ärzte oder Pflegepersonal denkbar. Impfen sei auch eine Frage der Solidarität.

„Menschen mit direktem Kontakt zu anderen Menschen sind dem Corona-Virus stärker ausgesetzt und besitzen ein höheres Ansteckungsrisiko als Menschen, die vor dem Computer sitzen“, so die Erklärung des Mediziners.

Die Coronavirus-Impfung sei aber auch ein Gemeinwohl-Thema, betonte Beck im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Mit dem Einhalten der Maßnahmen und der Impfung stelle man das „Gemeinwohl vor das Eigenwohl“. Impfen sei damit auch eine Frage der Solidarität.

„Gut und geprüft“

Ähnlich wie bei der Masernimpfung müsse eine gewisse Herdenimmunität erreicht werden, legte das Mitglied der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt dar. „Auch wenn viele Menschen Bedenken wegen des Corona-Impfstoffes haben: Er ist gut geprüft.“

Bioethiker Mathias Beck
kathbild/Franz Josef Rupprecht
Der Medizinethiker Matthias Beck hält eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen für denkbar und sinnvoll

Beck, der zu diesem Thema am Dienstag im Rahmen des Online-Jour-Fixes des Verbandes katholischer Publizistinnen und Publizisten referierte, räumte aber auch Verständnis für Menschen ein, die sich der Impfung gegenüber zurückhaltend verhalten. Sein Appell in ihre Richtung: „Lassen Sie sich impfen, der Impfstoff ist gut erprobt.“

Möglicherweise trotzdem ansteckend

Der Theologe warnte aber vor falschen Rückschlüssen in puncto Impfung. Einstellung, wie „Ich bin jetzt geimpft, jetzt brauche ich keinen Mundnasenschutz mehr“ bezeichnete er als Trugschluss. Zwar verhindere eine Impfung einen schweren Verlauf der Viruserkrankung, Betroffene blieben möglicherweise aber weiterhin ansteckend.

Zur Frage nach einer generellen Impfpflicht in Österreich meinte Beck, dass es „Appelle an den Hausverstand“ brauche, bevor man politisch über eine Impfpflicht diskutiere.

„Es nervt uns alle“

Angesicht der Anti-Coronavirus-Demonstrationen und -Spaziergänge in ganz Österreich unterschied der Theologe zwischen Coronavirus-Leugnern und jenen, denen die Maßnahmen zu weit gehen oder die sich Alternativen wünschen. Für Erstere könne er kein Verständnis aufbringen; in Richtung Corona-Maßnahmen-Kritiker meinte er jedoch: „Ich kann es verstehen, es nervt uns alle, es nervt mich auch. Es gibt keinen der über diesen Zustand jubelt“, so Beck wörtlich.

Zu bedenken gab der Medizinethiker jedoch, dass nicht die Politik die Wirtschaft oder die Gesellschaft zerstöre, sondern das Virus. „Die Politik kann lediglich versuchen die Schäden zu minimieren.“ Als Vergleich könne die aktuelle Situation in England oder den USA dienen, wo die Politik zu langsam auf das Virus reagiert hätte.

Besser als Nichtstun

Opfer dieser fehlenden politischen Entscheidungen sei auch das Krankenhauspersonal, das einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sei. Ein „Pflegenotstand“ sei die Folge: „Wenn man keine Maßnahmen ergreift, dann haben wir zwar Betten und Beatmungsgeräte, aber niemanden, der sie bedienen kann.“

Es gibt „schlechte und noch schlechtere Lösungen“, meinte Beck; die aktuellen Coronavirus-Maßnahmen in Österreich seien für die Einzelnen oder die Wirtschaft „schlecht, noch schlechter ist aber nichts zu tun“.

Abstand einzige Möglichkeit

Viren könne man anders als Bakterien nicht mit Antibiotika abtöten, stellte Beck klar. „Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, ist der Abstand.“ Der Mediziner erklärte dies mit der raschen Vermehrung und den möglichen Mutationen des Virus: Je mehr Menschen infiziert seien, desto mehr Mutationen könne es geben. Im schlimmsten Fall könnten die aktuell zugelassenen Impfungen nicht mehr wirken, warnte Beck.

Die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus bewertete Beck daher als „richtig“. Menschen müssten sich aus Gründen der Solidarität daran halten, so sein Appell.

Bioethikkommission erstellte Prioritätenliste

Der Impfstoff würde schnell verderben, eine rasche Verteilung sei daher nötig, meinte der Wiener Medizinethiker. Um einen sogenannten „Impfneid“ zu verhindern oder „hintenrum Geschäfte“ zu machen, hätte die Bioethikkommission eine Prioritätenliste erstellt. Diese müsse aber nun auch eingehalten werden, mahnte Beck.

Rund um die Debatte um publik gewordenen Vorreihungen bei Coronavirus-Impfungen durch Nichtrisikopatienten – etwa Kommunalpolitiker – meinte der Mediziner: „Wenn ein Impfstoff wirklich überbleiben sollte und sich niemand dafür fände, dann wäre es nicht tragisch. Ist dieser Fall nicht gegeben, dann gilt die Prioritätenliste.“