Frauentag

Vier Minuten Patriarchat sind genug

In ihrem Buch „Die Wahrheit über Eva“ beleuchten zwei Wissenschaftler die Gründe und Mechanismen, wie es zur Ungleichheit von Männern und Frauen kam. Die patriarchale Phase dauert umgelegt auf einen 24-Stunden-Tag vier Minuten. Genug, wie die Autoren meinen.

Carel Van Schaik, Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe und Kai Michel, Historiker und Literaturwissenschaftler tragen minutiös alle Schichten der Menschheitsgeschichte ab und graben auf mehr als 600 gut lesbaren Seiten nach den Ursprüngen der Ungleichheit von Frauen und Männern.

Nicht die Gene sind demnach schuld daran, und auch nicht die Männer. „Es ist die Kultur, die den Frauen das Leben schwermacht.“ Die gute Nachricht dabei: „Kultur ist zwar hartnäckig, aber veränderbar“, sind die Autoren überzeugt. Sie untermauern ihre Theorien mit archäologischen, evolutionsbiologischen, ethnologischen und religionswissenschaftlichen Forschungsergebnissen.

Im Vergleich zur Menschheitsgeschichte ist die patriarchale Zeit extrem kurz. Grund genug, der Evolution (van Schaik und Michel sprechen von Evalution) ihren Lauf zu lassen und den patriarchalen „Irrweg“ wieder zu verlassen.

Leben in der „Patrix“

Anhand anthropologischer, archäologischer, literaturwissenschaftlicher und religionsgeschichtlicher Befunde belegen sie ihre Theorien von der ursprünglichen Gleichstellung der Geschlechter. Sie prägen den Begriff der „Patrix“ – einer patriarchalen Matrix, in der die Menschheit seit einiger Zeit lebt.

Gustav Klimt „Adam und Eva“
Ausschnitt aus Gustav Klimts (1862 – 1918) „Sündenfall“

Bis ins Neolithikum (bis zu 10.000 Jahre v. Chr.) – waren Frauen noch nicht grundsätzlich benachteiligt oder von bestimmten Kreisen ausgeschlossen. Die patriarchalen Strukturen etablierten sich zunehmend und verstärkten sich im Zuge der Staatenbildungen. Da musste männliche Herrschaft legitimiert werden und Frauen begannen „Waren“ zu werden. Frauen wurden in Kriegen erbeutet, in fremde Familien eingegliedert und verloren so ihre so wichtigen eigenen Netzwerke.

Territoriale Ansprüche und die Verteidigung von Besitz beförderten Kriege, denen sich hauptsächlich Männer zuwandten. Nach der Domestizierung von Tieren verlor die Jagd an Bedeutung, Männer holten sich ihre Reputation vermehrt durch kriegerische Auseinandersetzungen. Nicht nur Frauen, auch Männer wurden in Bereiche gedrängt, die ihren Lebensraum beschränkten bzw. in bestimmte Bahnen zwängten – eine „toxische Männlichkeit“ entstand, bei der sich alles ums Töten drehte.

Einzementiert in der Religion

Den Beginn der Einzementierung der weiblichen Ungleichheit machen van Schaik und Michel zufolge die Autoren der Bibel – nicht aus Frauenhass, sondern aus politischen Gründen. Der unbedingte Gehorsam den weltlichen Herrschern gegenüber sollte übertragen werden auf die göttliche Ebene.

Cover von „Die Wahrheit über Eva“
Rowohlt
Carel van Schaik, Kai Michel, „Die Wahrheit über Eva. Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern“, Rowohlt 2020, 26,80 Euro.

Der imperialistische Herrschaftsanspruch, der Absolutismus und die Eifersucht des Großkönigs seien auf den eigenen Gott übertragen worden – nebenbei einer von vielen damals. Die Menschen sollten überzeugt werden, dass ihr Schicksal einzig von ihrem Gehorsam gegenüber Gott abhänge, so Van Schaik und Michel.

Gott und Herrscherwille

Allerdings wurden damit die bereits patriarchalen Gesetze der damaligen Zeit zum Willen Gottes erklärt. Die religiösen Praktiken, die das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur im Alltagsleben aufrechterhielten, wie Wahrsagerei, Ahnenkult, Magie und Geisterbeschwörung – die „Religion von unten“ – wurden untersagt. Davon waren Frauen besonders betroffen, die in kultischen Dingen lange Zeit eigenständig waren.

Dass die Bibel Eva eine so wichtige Rolle zukommen lässt – schließlich lenkt sie das Schicksal der gesamten Menschheit – interpretieren die Autoren als Wertschätzung gegenüber den Frauen. Und sie halten fest, dass die Diskriminierung Evas und der Frauen nach ihr nicht durch die theologischen Aussagen der Bibel über die Frauen an sich zu begründen sei. Es ging damals einzig und allein darum, Gehorsam zu erzeugen – von Männern und Frauen.

Mit Nachsicht für Veränderung

„Eva taugt nicht dazu, die Schlechterstellung der Frauen zu legitimieren. Deshalb greift auch die hebräische Bibel dafür nie auf Eva zurück“, schreiben Van Schaik und Michel. Das Christentum allerdings habe genau das getan – insbesondere in Gestalt von Paulus. Jesus von Nazareth sei frauenfreundlich und egalitär gewesen, seine Lehren seien ins Gegenteil verkehrt worden. Das Christentum sei zur Herrschaftsreligion geworden, die die Herrschaft der wenigen über die vielen und der Männer über die Frauen legitimierte.

Fazit des Buchs: Es gibt keinen Grund für eine Ungleichheit von Männern und Frauen. Weder im wirtschaftlichen Bereich, noch im politischen und auch nicht im Privaten. Die Lösung aus der „Patrix“? „Kooperation statt Konfrontation lautet das Rezept, Binaritäten überwinden, auf Diversität setzen, Hierarchien abbauen und dem alten Freund-Feind-Denken keine Angriffsfläche bieten.“ Zugleich ersuchen van Schaik und Michel um Nachsicht. Denn „wir üben alle noch“.