Personalpolitik

Vatikan: Ruhestand für Kardinäle Sarah und Comastri

Der Papst treibt die personelle Umgestaltung der römischen Kurie weiter voran. Am Samstag nahm Franziskus die altersbedingten Rücktritte der Kardinäle Robert Sarah und Angelo Comastri an.

Während für den Leiter der vatikanischen Gottesdienstkongregation noch kein Nachfolger feststeht, wird Comastri vom Franziskaner-Mönch Mauro Gambetti als Chef der Dombauhütte von Sankt Peter abgelöst.

Der Rücktritt Sarahs kommt nicht überraschend. Der Guineer war im vergangenen Juni 75 alt geworden. Er erreichte damit jene Altersgrenze, mit der Bischöfe dem Papst nach dem Kirchenrecht ihren Amtsverzicht anbieten müssen.

Kardinal Robert Sarah
REUTERS/Alessandro Bianchi
Der Rücktritt Sarahs kommt nicht überraschend. Der Guineer war im vergangenen Juni 75 alt geworden

Seine fünfjährige Amtsperiode als Präfekt endete eigentlich schon im November 2019, wurde aber von Franziskus, zumindest soweit bekannt, weder förmlich verlängert noch beendet. Sarah, ein Vertreter des konservativen Kirchenflügels, übte mehrmals öffentlich Kritik am Kurs von Franziskus. Beobachter hatten deshalb schon länger mit einer Ablösung gerechnet.

Abschied via Twitter

Der Kardinal äußerte sich in einem Tweet zu seiner Demission: „Heute hat der Papst den Verzicht auf mein Amt als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst nach meinem 75. Geburtstag akzeptiert. Ich bin in Gottes Händen.“

Der einzige Fels sei Christus. Man werde sich schon bald in Rom und anderswo begegnen. Als einer der ersten reagierte Hongkongs früherer Bischof, Kardinal Joseph Zen, auf die Nachricht. Der profilierte Kritiker des vatikanischen Annäherungskurses gegenüber China twitterte knapp: „Grazie Eminenza.“

Einziger Kurienkardinal in Leitungsfunktion

Sarah war der einzige Kurienkardinal in Leitungsfunktion, der den Kurs von Franziskus öffentlich kritisierte. Anfang 2020 traute sich Sarah, in einer der heikelsten Fragen der katholischen Kirche zwischen zwei Päpsten zu jonglieren.

Damals erschien ein neues Buch – angekündigt mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. als Co-Autor. Es ging um eine Verteidigung des Priesteramtes und des Pflichtzölibats. Die Publikation erschien wenige Wochen, bevor Franziskus über den Vorstoß der Bischofssynode zum Amazonas befinden sollte, angesichts des pastoralen Notstands dort womöglich auch verheiratete Diakone zu Priestern weihen zu dürfen.

Der frühere Papst als Gewährsmann gegen den amtierenden. Doch die Rechnung ging nur bedingt auf. Die mediale Aufmerksamkeit war zwar enorm – doch Benedikts Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein dementierte eine Co-Autorenschaft. Benedikt XVI. habe im November lediglich die Publikation eines 2019 verfassten Aufsatzes über das Priestertum erlaubt. Seither galt Sarah als angezählt.

Der jüngste Diözesanbischof der Welt

Seine steile Kirchenkarriere machte er vor allem unter Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013). Geboren am 15. Juni 1945, wurde er 1969 in seiner Heimatdiözese Conakry zum Priester geweiht; er studierte in Rom und Jerusalem. 1979 ernannte Johannes Paul II. den gerade 34-Jährigen zum Erzbischof von Conakry – und damals jüngsten Diözesanbischof der Welt.

2001 wechselte Sarah als Sekretär der Missionskongregation nach Rom. 2010 machte ihn Benedikt XVI. zum Präsidenten des Päpstlichen Rates Cor unum, einer Art vatikanischem „Entwicklungshilfeminister“. Franziskus beförderte den konservativen Theologen im November 2014 zum Präfekten der Gottesdienst- und Sakramentenkongregation, also zum „Liturgieminister“; wohl auch in der Überzeugung, den konservativen Flügel im Vatikan einbinden zu können.

Im Konflikt mit dem Papst

Sarah machte mit seinen Aussagen als Hüter des rechten Glaubensvollzugs wenig Hehl daraus, was er von den Reformgedanken seines Vorgesetzten hält. Immer wieder forderte Sarah als Behördenleiter eine „Reform der Reform“ der konziliaren Liturgie.

Bei einer Konferenz in London 2016 ermunterte er die Priester, wieder wie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit dem Rücken zur Gemeinde zu zelebrieren. Der Vatikan bemühte sich, die Aussagen interpretativ einzufangen.

Im Herbst 2017 erteilte der Papst Sarah als einem seiner Minister einen offiziellen Rüffel, der sogar vom Vatikan veröffentlicht wurde. Franziskus hatte in einem Erlass den örtlichen Bischofskonferenzen mehr Spielraum bei der Übersetzung liturgischer Texte eingeräumt – und damit Sarahs Behörde beschnitten.

Schriftlicher Austausch von Interpretationen

Der Kardinal streute dagegen einen Kommentar, nach dem das letzte Wort weiter bei ihm und seiner Behörde liege. Per Brief wies Franziskus ihn auf seine Fehlinterpretation hin – und machte höchst öffentlich deutlich, es sei falsch, die Übersetzung wichtiger liturgischer Texte „von oben herab“ den Bischofskonferenzen „aufzuzwingen“.

In der Coronavirus-Krise warf Kardinal Sarah noch einmal sein theologisches Gewicht in die Waagschale. Mehrfach verwahrte er sich gegen liturgische Entgleisungen im Namen des Hygieneschutzes wie Segen per Weihwasserpistole oder geweihte Hostien zum Mitnehmen. Gott und der Leib Christi ließen sich nicht in kleine Tütchen verpacken.

In einem ausführlichen Gastbeitrag für den französischen „Figaro“ schrieb Sarah, die Welt erwarte von der Kirche „ein Wort des Glaubens, das ihr ermöglicht, das Trauma vom Angesicht des Todes zu überwinden, das sie gerade erlebt“. Die Coronavirus-Krise habe gezeigt, dass viele moderne Gesellschaften an einem „geistlichen Übel“ litten: Sie wüssten nicht, „wie sie Leid, Endlichkeit und Tod einen Sinn geben können“.

Kardinal Angelo Comastri
REUTERS/Alessandro Bianchi
Die Versetzung Angelo Comastris (77) in den Ruhestand war ebenfalls erwartet worden. Johannes Paul II. hatte ihn 2005 zum Leiter der Dombauhütte ernannt

Ruhestand für Comastri nicht überraschend

Die Versetzung Angelo Comastris (77) in den Ruhestand war ebenfalls erwartet worden. Johannes Paul II. hatte ihn 2005 zum Leiter der Dombauhütte ernannt.

Damit war er verantwortlich für alle baulichen Aspekte der größten Kirche der Christenheit. Zuletzt geriet der Italiener wegen Ermittlungen aufgrund mangelnder Transparenz bei der Auftragsvergabe in die Schlagzeilen. Franziskus ernannte eigens den Erzbischof und Diplomaten Mario Giordana zum Sonderkommissar, um eine Umstrukturierung zu veranlassen.

Diese wird nun von Comastris Landsmann Mauro Gambetti (55) begleitet, der die Ämter als Dombauhütten-Chef, Erzpriester der Vatikanbasilika und Generalvikar für die Vatikanstadt übernimmt. Gambetti leitete bislang das Konvent der Franziskaner-Minoriten am Grab des heiligen Franziskus in Assisi. Der Ingenieur hat ein besonderes Faible für ökologische Themen und trug dazu bei, dass die Stadt Assisi einen Umweltpreis für nachhaltige Abfallwirtschaft erhielt.

Nach Bekanntgabe des Wechsels übermittelte Assisis Erzbischof Domenico Sorrentino am Samstag erste Glückwünsche. „Ich freue mich über die Ernennung“, sagte er. Gambetti übernehme eine prestigeträchtige Aufgabe von großer Bedeutung. „Wir wünschen ihm, dass er sie mit der gleichen Bescheidenheit und Liebe angeht, die wir hier in Assisi schätzen gelernt haben.“