Vatikan-Dekret

Glettler: Kirche auch Heimat für Homosexuelle

Als „Enttäuschung für alle, die sich ein deutlicheres Zeichen der Akzeptanz von homosexuellen Paaren erhofft hatten“, hat Bischof Hermann Glettler das Nein des Vatikans zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bezeichnet. Dennoch biete die Kirche allen Menschen eine spirituelle Heimat.

„Die Ablehnung von offiziellen Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Beziehungen ist kein Urteil über homosexuelle Menschen, um die sich die Kirche jetzt noch mehr als bisher bemühen muss“, sagte der Innsbrucker Bischof am Montag im Interview mit der römisch-katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Glettler ist der für Ehe und Familie zuständige Bischof in der Bischofskonferenz.

Umso mehr müsse die Kirche homosexuellen Menschen in der Kirche eine spirituelle Heimat anbieten und all das stärken, was in ihren Beziehungen an Gutem vorhanden sei. „Diesbezüglich gibt es noch viel zu lernen“, denn „die Geschichte der oberflächlichen und gehässigen Verurteilungen wirkt noch lange nach.“

Staatlicher Schutz wichtig

„Gleichgeschlechtliche Beziehungen können auf Treue und gegenseitiger Hingabe gegründet sein“, führte Bischof Glettler dazu aus. Insofern würden diese Beziehungen zum persönlichen Glück der Betroffenen und zum Zusammenleben in unserer Gesellschaft beitragen.

Bischof Hermann Glettler
APA/EXPA/JFK
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler

Vor diesem Hintergrund habe auch Papst Franziskus vor kurzem ausdrücklich gutgeheißen, dass der Staat für Menschen in homosexueller Partnerschaft Rechtsformen schafft, die der Sorge füreinander und der wechselseitigen Absicherung einen verlässlichen Rahmen geben, erinnerte der Bischof. „Das ist in Österreich und in den meisten europäischen Staaten der Fall und wird von kirchlicher Seite begrüßt.“

Keine quasisakramentale Legitimierung

Gleichzeitig habe Papst Franziskus 2015 im nachsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ keinerlei Fundament dafür gesehen, „zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn“, führte der Bischof weiter unter wörtlicher Bezugnahme auf das päpstliche Dokument aus.

Die Kirche wolle aus diesem Grund mit der nun geäußerten Ablehnung von Segnungsfeiern keiner quasisakramentalen Legitimierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften Vorschub leisten.

Segen als Einzelperson

Grundsätzlich werde sich die Kirche noch deutlicher dazu entscheiden müssen, das Gute im Leben der Menschen zum Leuchten zu bringen und alle, die es erlangen möchten, selbstlos und nachhaltig auf ihrem persönlichen Weg mit Gott zu begleiten.

„Die Kirche wird ihre Prinzipien nicht aufgeben, aber sich deutlich von jeder diskriminierenden Beurteilung und Ausgrenzung von Menschen distanzieren“, hielt der Bischof fest. Dazu gehöre, dass so „wie bisher jede Einzelperson ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung einen kirchlichen Segen empfangen kann“.

Kirche „spirituelle Heimat“ für alle

Glettler abschließend: „Wir möchten als Kirche allen schwulen, lesbischen und in ihrer Sexualität unsicheren Menschen ein Willkommen und eine spirituelle Heimat in der Kirche anbieten – und dies nicht erst dann, wenn sie enthaltsam leben.“ Das werde ein langer pastoraler Weg sein, der „noch mehr Offenheit, Bereitschaft zum Kennenlernen und Aufeinander-Zugehen erfordert“.

„Wir sind Kirche“: Diskriminierung festgeschrieben

Mit dieser Entscheidung trage der Vatikan dazu bei, „dass die in vielen Ländern nach wie vor bestehende Diskriminierung homosexueller Menschen bis hin zur Gefängnis- und Todesstrafe als gottgegeben angesehen werden kann. Vor dem Hintergrund der Verfolgung Homosexueller reicht es nicht aus und ist gar zynisch, die christlichen Gemeinde dazu aufzurufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen – die nach kirchlicher Lehre nicht gelebt werden dürfen – zu respektieren“, teilte „Wir sind Kirche“ Österreich in einer Aussendung mit.

Diese Entscheidung zeige zudem einmal mehr, „wie sehr die römisch-katholische Sexualmoral den Anschluss zu den Humanwissenschaften verloren hat“.