Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, entstehe eine große Aufgabe, die entsprechenden Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber festzulegen, schrieb ÖBR-Präsident Gerhard Weissgrab in einer Aussendung am Donnerstag.
Die ÖBR war in der vergangenen Woche Teil eines fünftägigen Online-Dialogforums zum Thema Sterbehilfe. Die Bioethikkommission, Vertreterinnen und Vertreter aus Medizin, Wissenschaft, Hilfsorganisationen, Seniorenvertretungen und Religionen berieten über eine mögliche neue Gesetzesvorlage.
Fokus auf Tabu
Aus Sicht der ÖBR bietet die VfGH-Entscheidung die Gelegenheit, „bestehende Mängel in unserer Gesellschaft in Bezug auf unser Miteinander im Allgemeinen und den Umgang mit schwachen, kranken und leidenden Menschen im Besonderen, genauer zu betrachten und wesentliche Verbesserungen auf den Weg zu bringen“.
Der selbstverständliche Tod am Ende eines jeden Lebens werde aus dem Leben verbannt und gelte nicht als Erfüllung des Lebens, sondern als eine Form des Versagens. „Würde es unsere Gesellschaft schaffen, hier einen natürlichen Umgang mit den unvermeidlichen Stationen des Lebens, die da sind: Alter, Krankheit und Tod zu finden, würde wahrscheinlich sehr oft gar kein Wunsch nach Suizid entstehen“, so Weissgrab.
Ein weiteres Problemfeld in diesem Zusammenhang ergibt sich aus der Sicht des ÖBR-Präsidenten durch die Stigmatisierung psychischer Probleme und aus der fehlenden Akzeptanz in der Bevölkerung, diese als „gewöhnliche Krankheiten“ anzuerkennen. „Dadurch entsteht großes Verdrängungspotential und zwangsläufig doch auch ein suizidförderndes Klima.“
Palliativmedizin und Hospizeinrichtungen anbieten
In Anerkennung dieser Ursachen müssten vom Staat flächendeckend, ausreichend und „absolut niederschwellige Angebote zur Behandlung von beeinträchtigenden psychischen Belastungen sowie von leistbarer Hospiz- und palliativmedizinischer Betreuung zur Verfügung gestellt und gefördert werden“.
Debatte: Wie soll Sterbehilfe möglich sein?
Aus buddhistischer Sicht sollte die oberste Motivation bei der Neufassung dieses Gesetzes sein, bestehendes Leiden zu lindern und aufzulösen und aus den zu erarbeitenden, rechtlich abgesicherten Lösungsansätzen kein neues Leiden entstehen zu lassen. Diese Formel beschreibe zugleich einen zentralen Aspekt der Lehren des Buddha.
Erfahrungen aus anderen Ländern
Diese Verantwortung für ein neues Gesetz zeichne sich vor allem dadurch aus, dass die zu regelnden Agenden in fast keinem Fall naturwissenschaftlich messbare Größen seien, sondern dem weiten Feld der menschlichen Psyche zugeordnet werden müssten.
Weissgrab schlägt vor, die jeweils bestehenden Expertisen jener Länder zu berücksichtigen, die bereits Erfahrungen mit solchen Entscheidungen gemacht haben.