Papst im Irak

Irakischer Bischof: Dynamik des Papstbesuches darf nicht verpuffen

Der chaldäisch-katholische Erzbischof der nordirakischen Metropole Erbil, Bashar Warda, hat an die internationale Staatengemeinschaft und die politisch Verantwortlichen im Irak appelliert, die vom jüngsten Papstbesuch ausgelöste positive Dynamik nicht verpuffen zu lassen.

„Der Papst brachte in drei Tagen diese Nation zusammen. Das zeigt, dass wir zusammen existieren können und wir müssen mithilfe der internationalen Gemeinschaft daran arbeiten“, so der Erzbischof wörtlich.

Nachsatz: „Die Menschen im Irak wollen Frieden, religiöses Zusammenleben und sozialen Zusammenhalt.“ Der Erzbischof äußerte sich in einem Interview mit dem Hilfswerk „Initiative Christlicher Orient“ (ICO), das auf dessen Website veröffentlicht wurde .

Der Papst hat ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl im Irak geschaffen. Das werde derzeit auch von der Politik und Vertretern der Muslime wie Großajatollah Ali al-Sistani aufgegriffen, berichtete Warda. Da die christliche Geschichte des Irak im Land selbst nicht in den Schulen gelehrt wird, habe erst der Besuch des Papstes vielen Menschen deutlich gemacht, „dass wir Christen seit Tausenden von Jahren im Irak leben und jedes Recht haben, vollwertige Bürger dieses Landes zu sein“.

80 Prozent Arbeitslose

Er sei sich nicht sicher, so Erzbischof Warda weiter, ob der Welt überhaupt das Ausmaß des Schadens bewusst sei, den der IS angerichtet habe. Die Terroristen brachten nicht nur den Tod, sondern zerstörten auch die Lebensgrundlage unzähliger Menschen.

„Seit August 2014 leben die meisten Menschen nur von ihren Ersparnissen, wir haben nach wie vor 80 Prozent Arbeitslose, insbesondere in der Ninive-Ebene“, so Warda im Blick auf die christliche Minderheit vor Ort. Seit 2017 könnten die Menschen zwar in die Dörfer in der Ninive-Ebene zurückzukehren, es gebe aber zu wenig Hilfe, damit sie für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

Die soziale Situation vor Ort sei schon vor der Pandemie herausfordernd gewesen, nun sei alles noch schlimmer. Warda: „Viele haben ihre Arbeit verloren. Wer noch Arbeit hat, muss vier Monate auf sein Gehalt warten. Die Menschen können sich auch untereinander nicht mehr so helfen wie früher.“

Hilfe der Kirche benötigt Unterstützung

Die Kirche versuche nach Kräften zu helfen, sei aber ebenfalls auf Unterstützung angewiesen, so der Erzbischof: „Wir haben hier 2.500 Familien, die nicht nach Mossul und in die Ninive-Ebene zurückkehren können. Und es gibt 576 syrische Familien, die in Erbil festsitzen, ohne Lebensgrundlage.“ Auch der Druck auf ältere Menschen werde immer stärker, „da die Regierung ihre Renten senkt und diese auch noch zu spät auszahlt. Die alten Menschen haben große Schwierigkeiten zu überleben, da sie sich keine Medikamente mehr leisten können.“

Die Wirtschaft befinde sich vor allem seit dem Aufkommen des IS in einer schlimmen Krise. Warda: „Natürlich wurde auch von internationaler Seite nur sehr wenig investiert. Ich glaube aber, wenn es Investitionen, weitere Hilfe, Sicherheit und Stabilität im Land gibt, dann könnten wir es im Irak in fünf Jahren schaffen, auf eigenen Füßen zu stehen.“

„Als wäre er ein Teil der Familie“

In gleicher Weise äußerte sich Erzbischof Warda auch in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Information Christlicher Orient“, das zahlreiche Stimmen kirchlicher irakischer Vertreter zum Papstbesuch eingefangen hat.

Der syrisch-katholische Erzbischof Yohanna Petrous Mouche blickt etwa auf den Besuch des Papstes in der Stadt Karakosch zurück, das Zentrum der syrisch-katholischen Kirche in der Ninive-Ebene: „Nach dem Besuch des Papstes wird nichts mehr so sein wie vorher, denn die ganze Welt kennt jetzt Karakosch und seine Bedeutung im Herzen des Papstes und im Leben der Kirche. Sein Kommen gab uns allen große Hoffnung", so Erzbischof Mouche wörtlich. Nachsatz über den Papst: Es ist, als wäre er ein Teil der Familie.“

Der nordirakische chaldäische Pfarrer Samir Yousif weist u.a. darauf hin, dass viele politische Analysten, Journalisten und Politiker die Botschaften des Papstes von Vergebung, Geschwisterlichkeit und Zusammenarbeit reflektieren würden. Und es gebe auch schon erste politische Früchte des Besuchs.

So hätten sich die Zentralregierung in Bagdad und die Regierung der Autonomen Region Kurdistan nach vielen Jahren der Kontroverse auf einen gemeinsamen Haushaltsplan geeinigt. Und zu den Früchten gehöre auch, dass der 6. März im Irak künftig als Tag des Zusammenlebens und der Brüderlichkeit begangen wird. Am 6. März traf Papst Franziskus in Nadschaf mit Großajatollah al-Sistani zusammen und nahm in der südirakischen Stadt Uran einem interreligiösen Friedenstreffen teil.

Respektvoller Umgang notwendig

P. Imad Gargees, Generalvikar der chaldäischen Diözese Amadyia, der den Papst im Nordirak als Dolmetscher begleitete, betont im ICO-Magazin, dass der Papst sowohl Bagdad als auch Erbil besuchte. Damit habe er sich beiden Seiten gegenüber – sowohl was die Zentralregierung als auch die Regierung der kurdischen Autonomieregion betrifft – respektvoll gezeigt. „Und diesen Respekt müssen beide Seiten nun fortführen. Es geht darum, gemeinsam für ein besseres Leben aller Menschen im Irak zu arbeiten.“

Die Ordensfrau Sanaa Hana weist u.a. auf die gute Zusammenarbeit zwischen Regierung und Kirche hin: „Wir hoffen, dass dieser Besuch seine Früchte bei der Aussaat von Einheit und Frieden zwischen den verschiedenen Teilen des irakischen Volkes bringen wird und dass er den Christen Mut und Hoffnung gibt, damit sie in ihrer Heimat bleiben können.“

Felix Shabi, Bischof der nordirakischen chalkdäischen Diözese Zakho, fasst schließlich die anstehenden Herausforderungen für den Irak so zusammen: "Die Gewalt im Land, insbesondere auch die religiös motivierte, muss überwunden werden.

(…) Wir beten darum, den Virus des Sektierertums und des Terrorismus loszuwerden, und wir müssen daran arbeiten, unsere Religionen einander vorzustellen und falsche Vorstellungen zu korrigieren." In wirtschaftlicher Hinsicht gelte es, dafür zu arbeiten, westliche Unternehmen und Iraker in der Diaspora zu ermutigen, in den Irak zu investieren.