Kanada

Massengräber: Entschuldigung von Papst gefordert

Nach den Funden von Kinderleichen aus ehemaligen kirchlichen Umerziehungsheimen für Indigene in Kanada, ist Papst Franziskus aufgefordert worden, sich zu entschuldigen.

Ende Mai waren auf dem Gelände eines früheren katholischen Internats nahe der Kleinstadt Kamloops in Westkanada die Überreste von 215 Kinderleichen entdeckt worden. In Einrichtungen wie diesen waren Söhne und Töchter aus indigenen Familien zumeist zwangsweise untergebracht, um sie im Auftrag des kanadischen Staates an die „christliche Zivilisation“ heranzuführen.

Erst in der vergangenen Woche hatten Vertreter der ethnischen Gruppe der Cowessess mitgeteilt, dass Ermittler auf dem Grundstück der früheren katholischen Marieval Indian Residential School in der zentralkanadischen Provinz Saskatchewan die Überreste von Verstorbenen in 751 nicht markierten Gräbern gefunden hätten. Die Federation of Sovereign Indigenous First Nations (FSIN) sprach von der bisher größten Zahl derartiger Funde in Kanada.

Lämpchen und Fähnchen an den Stellen, wo sterbliche Überreste indigener Kinder in unmarkierten Gräbern gefunden wurden.
/APA/AP/Mark Taylor
Mit Lämpchen und Fähnchen wurden die Stellen markiert, wo 751 Kinder indigener Familien begraben wurden

Trudeau fordert Entschuldigung vom Papst

Unterdessen wiederholte der kanadische Premierminister Justin Trudeau Medienberichten zufolge seine Aufforderung an Papst Franziskus zu einer Entschuldigung. In einem persönlichen Gespräch mit dem Kirchenoberhaupt habe er betont, dass der Papst Kanada besuchen und sich vor Ort bei indigenen Kanadiern entschuldigen solle.

Bereits Anfang Juni hatte sich Franziskus bestürzt und schockiert gezeigt. „Mit Schmerz verfolge ich die Nachrichten aus Kanada über den erschütternden Fund der Überreste von 215 Kindern“, so Franziskus damals. Staatliche und kirchliche Stellen sollten weiter entschlossen zusammenarbeiten, „um Licht in diese traurige Angelegenheit zu bringen“.

Entschuldigungen bei Besuchen

Bevor ein Papst für Vorfälle in der kirchlichen Vergangenheit um Entschuldigung bittet, muss die Faktenlage geklärt sein. Bisher sprach Franziskus solche Bitten um Entschuldigung aus, wenn er die betreffenden Länder besuchte, etwa 2018 in Irland, wo es neben Missbrauch durch Kleriker in Gemeinden ein Heime-System gab, dessen Einrichtungen von der Kirche im Auftrag des Staates geführt wurden.

Bei einem Besuch in Bolivien im Jahr 2015 entschuldigte sich Franziskus für die „vielen schweren Sünden, die im Namen Gottes gegen die Ureinwohner Amerikas begangen wurden“.

Historiker fordert ebenfalls Entschuldigung

Auch der Historiker Manuel Menrath fordert eine Geste von Papst Franziskus: „Derzeit brennen katholische Kirchen in Reservaten, oder es wird zu Brandstiftung aufgerufen, weil sich die Menschen, besonders indigene Katholiken, von Rom im Stich gelassen fühlen“, sagte Menrath der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Sonntag in Luzern.

„Eine Entschuldigung des Papstes mag zwar aus kirchenpolitischer Sicht nicht einfach zu legitimieren sein; aber für das indigene Verständnis wäre dieser Schritt enorm wichtig.“ „Die aktuellen schrecklichen Funde sind nicht einfach historisch“, betonte Menrath. „Wohl fast jede indigene Familie in Kanada hat ein Kind in einer solchen Zwangsumerziehungsanstalt verloren, von dem sie nicht weiß, wo es bestattet liegt.“

Etwa 70.000 Überlebende

Heute lebten noch etwa 70.000 sogenannte Survivors, also Indigene, die als Kinder in den „Residential Schools“ waren. „Sie sind nun alt und möchten wissen, was mit ihren Geschwistern oder Cousins und Cousinen geschehen ist.“

Menrath veröffentlichte 2016 das Buch „Mission Sitting Bull“ über die „Geschichte der katholischen Sioux“. 2020 erschien von ihm „Unter dem Nordlicht – Indianer aus Kanada erzählen von ihrem Land“.

Zwei Kirchen abgebrannt

In kanadischen Indigenen-Gebieten wurden bereits zum zweiten Mal zwei katholische Kirchen durch Brände zerstört. Die Chopaka-Kirche im Indigenen-Reservat Lower Similkameen und die St.-Ann-Kirche im Gebiet Upper Similkameen seien am frühen Samstagmorgen innerhalb von einer Stunde niedergebrannt, berichteten örtliche Medien (Samstag, Ortszeit) unter Berufung auf die Bundespolizei.

Schon am 21. Juni waren zwei katholische Kirchen in den rund 50 Kilometer entfernten Städten Penticton und Oliver ebenfalls auf Indigenen-Gebiet abgebrannt. Die Polizei bezeichnete die Vorfälle als „verdächtig“ und leitete Ermittlungen ein. Medien stellten eine Verbindung zu den jüngsten Massengrabfunden im Land her.