Umgefallenes Kreut auf einem Friedhof, auf dem Kinder einer katholischen Internatsschule für Indigiene begraben sind, Brandon, Manitoba, Kanada
Reuters/Shannon VanRaes
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Kanada

Papst „offen“ für Entschuldigung bei Indigenen

Papst Franziskus ist nach Aussage des Vorsitzenden der Kanadischen Bischofskonferenz dazu bereit, sich vor Ort in Kanada bei den Indigenen für die frühere Rolle der katholischen Kirche im Heimsystem des Landes zu entschuldigen.

Der Papst sei für seinen solchen Schritt zu einem „günstigen Zeitpunkt“ offen, sagte Winnipegs Erzbischof Richard Gagnon dem Sender CBC. Er erwarte, dass Franziskus einen ähnlichen Weg wähle wie in Bolivien. Dort entschuldigte sich der Papst bei einem Besuch 2015 für die „vielen schweren Sünden, die im Namen Gottes gegen die Ureinwohner Amerikas begangen wurden“.

Zuvor hatte die Kanadische Bischofskonferenz (Dienstag Ortszeit) bekanntgegeben, dass eine Delegation mit Vertreterinnen und Vertretern von Indigenen zum Jahresende in den Vatikan reisen wird, um „Dialog und Heilung“ bei diesem Thema zu fördern.

Kanada-Besuch im Dezember

Für 17. bis 20. Dezember sind demnach mehrere Begegnungen des Papstes mit Indigenenführern, Überlebenden aus im Auftrag des Staates von der Kirche betriebenen Internaten und Jugendlichen geplant. Eingeladen sind den Angaben zufolge Vertreter der First Nations, der Metis und der Inuit.

Papst Franziskus werde mit den indigenen Delegierten über das schmerzhafte Erbe der Internatsschulen sprechen, sagte Erzbischof Gagnon. Franziskus sei es wichtig, ihnen im direkten Gespräch zuzuhören, um weitere Schritte der Versöhnung zu planen. „Was der Papst in Bolivien gesagt und getan hat, wird er auch in Kanada tun“, zeigte sich Gagnon überzeugt. „Aber er wird es auf die Besonderheiten der kanadischen Situation abstimmen.“

Indigenen „herzliche Nähe ausdrücken“

Der Papst wolle den indigenen Völkern seine „herzliche Nähe ausdrücken“, die Auswirkungen der Kolonialisierung sowie die Rolle der Kirche im Internatssystem ansprechen und „auf das Leiden der indigenen Völker und die anhaltenden Auswirkungen des intergenerationellen Traumas antworten“, heißt es in der offiziellen Erklärung der kanadischen Bischöfe.

Diese arbeiten laut verschiedenen Berichten bereits seit Längerem an einem Treffen des Papstes mit Indigenen aus Kanada. Die Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie sollen die Vorbereitungen aber verzögert haben.

„Wollen, dass er auf unser Land kommt“

Die indigenen Delegierten würden den Papst bei ihrer geplanten Begegnung dazu drängen, sich auf indigenem Boden in Kanada zu entschuldigen, sagte David Chartrand, Vizepräsident des nationalen Rates der Metis zu CBC. „Ich hoffe, dass ich vom Papst hören kann, dass er den Schmerz versteht. Wir wollen, dass er auf unser Land kommt. Es wird uns so viel bedeuten, dass er hierherkommt und seine Erklärung abgibt“, so Chartrand.

Entsetzen nach Massengrabfunden

Zwischen den 1830er-Jahren und 1998 waren schätzungsweise rund 150.000 indigene Kinder – oft zwangsweise – in kanadischen Umerziehungsheimen untergebracht worden. Etliche dieser 139 Heime wurden von der katholischen Kirche betrieben. Dort sollten die Kinder im Auftrag des Staates an die „christliche Zivilisation“ herangeführt werden. Oft durften sie ihre Muttersprache nicht sprechen; viele von ihnen wurden misshandelt und missbraucht.

Ende Mai wurden auf dem Gelände eines früheren katholischen Internats nahe der Kleinstadt Kamloops in Westkanada die Überreste von 215 Kinderleichen entdeckt. Vor wenigen Tagen teilten auch Vertreter der ethnischen Gruppe der Cowessess mit, dass Ermittler auf dem Grundstück der früheren katholischen Marieval Indian Residential School in der zentralkanadischen Provinz Saskatchewan die Überreste von Verstorbenen in 751 nicht markierten Gräbern gefunden hätten. Die Federation of Sovereign Indigenous First Nations (FSIN) sprach von der bisher größten Zahl derartiger Funde in Kanada.

Vier Kirchen angezündet

Angesichts der Massengrabfunde wuchsen Zorn, Wut und Enttäuschung. Vier Kirchen in Reservaten der Indigenen gingen in Flammen auf. Türen und Wände der Kathedrale St. Paul in Saskatoon bemalten Aktivisten mit roten Händen und der Aufschrift „Wir waren Kinder“.

Bereits Anfang Juni hatte sich Papst Franziskus bestürzt und schockiert gezeigt und erklärt, dass er die jüngsten Nachrichten aus Kanada „mit Schmerz“ verfolge. Staatliche und kirchliche Stellen sollten weiter entschlossen zusammenarbeiten, „um Licht in diese traurige Angelegenheit zu bringen“, rief der Papst auf.