Eine Schülerin der Ober- bzw. Mittelstufe schreibt in ein Heft, Symbolbild Schule, Ethikunterricht
APA/dpa/Felix Kästle
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Ethik

Schulbeginn: Verpflichtender Ethikunterricht startet

Neues für das kommende Schuljahr: In den fünften Klassen der AHS und in den ersten Klassen der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) müssen Schülerinnen und Schüler, die nicht in den Religionsunterricht gehen, verpflichtend das Fach Ethik besuchen.

Bisher war das nur an manchen Schulen im Rahmen von Schulversuchen der Fall. Das Ausmaß des Ethikunterrichts beträgt an 922 Standorten zwei Stunden pro Woche. 2024/25 gibt es dann Ethikunterricht an allen Oberstufenklassen der AHS, im Jahr darauf auch an allen der BMHS. Im Endausbau soll das Fach ab dem Schuljahr 2025/2026 in der gesamten Oberstufe eingeführt sein.

Erst danach wird der Ethikunterricht in der Unterstufe schrittweise eingeführt: So sieht es der Beschluss zum Ethikunterricht des Nationalrates vom 20. November 2020 und das daraus hervorgegangene Rundschreiben des Bildungsministeriums (5/2021) vor.

Ab- bzw. Anmeldung in erster Schulwoche

Der Schulversuch Ethik, den Schulen seit dem Schuljahr 1997/98 freiwillig anbieten konnten, läuft aus. Die Schulen haben meist intern für die Lehrfächerverteilung im Mai eine Erhebung durchgeführt, in der die Schülerinnen und Schüler ihre (unverbindliche) Fächerwahl für das anstehende Schuljahr bekanntgeben sollten. Eine verbindliche Abmeldung vom Religionsunterricht und somit seit heuer Anmeldung zum Ethikunterricht kann laut Religionsunterrichtsgesetz erst in der ersten Schulwoche stattfinden.

Nachdem die westlichen Bundesländer erst eine Woche nach dem Osten das Schuljahr beginnen, wird erst Mitte September feststehen, wie viele Schülerinnen und Schüler der fünften Klasse österreichweit den neuen Ethikunterricht besuchen.

Es gibt auch weiterhin für Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis die Möglichkeit der Anmeldung zum Religionsunterricht. Erfolgt eine solche nicht, sind die Betreffenden automatisch für den Ethikunterricht angemeldet. Erfolgt hingegen die Anmeldung zu Religionsunterricht, ist dieser für die betreffenden Schüler weiterhin ein Freigegenstand, aber mit gleicher Rechtswirkung, als ob es ein Pflichtgegenstand wäre.

Faßmann: Fragen im Vordergrund

Im Ethikunterricht solle es nicht primär um die Vermittlung oder Reproduktion von Wissen gehen, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) im Rahmen einer Pressekonferenz gemeinsam mit Vertretern der Kirchen und Religionsgemeinschaften am 7. Juni. Im Mittelpunkt solle vielmehr das Stellen von Fragen stehen – über diese solle dann gemeinsam reflektiert und zu Antworten gekommen werden – „auch wenn diese Antworten immer nur vorläufige sind“.

Ethik auch Teil des Religionsunterrichts

Gleichzeitig sollen solche ethischen Fragen auch im Religionsunterricht aufgegriffen werden. Dabei würden diese aber anhand der jeweiligen religionsspezifischen Sichtweisen dargestellt, so der Minister. Weiters sollen auch die Sichtweisen anderer Religionen dazu sowie jene des staatlichen Ethikunterrichts behandelt werden. Erhalten bleibt der autonome Teil der Lehrpläne der Religionsgemeinschaften, der sich mit bekenntnisorientierten Fragen beschäftigt.

In den Ethik-Lehrplänen (es gibt jeweils eigene für AHS sowie die jeweiligen BMHS-Zweige wie HTL, HAK etc.) ist festgehalten, dass die zentrale fachliche Grundlage des Unterrichtsgegenstandes die praktische Philosophie darstellt. Behandelt werden sollen unter anderem Themen wie Menschenrechte, Glück, soziale Beziehungen, Sucht, Natur und Wirtschaft, Medien, die Grundlagen der Weltreligionen, aber auch säkulare Weltanschauungen, Tierrechte und Tierschutz, Sexualität und Liebe, Konfliktbewältigung, Diversität und Diskriminierung, Krankheit und Tod, Konsum, Technik und Wissenschaft.

Volksbegehren und Oppositionskritik

Das im Vorfeld der Einführung des Ethikunterrichts durchgeführte Volksbegehren „Ethik für alle“, das knapp 160.000 Unterschriften erreichte, hatte Kritik an den Plänen geübt. Es forderte die Einführung eines vom Religionsunterricht entkoppelten Ethikunterrichts als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur letzten Schulstufe, ein abgeschlossenes Ethik-Lehramtsstudium als Mindestqualifikation für Ethik- sowie Unvereinbarkeitsregeln für Ethik-und zugleich Religionslehrkräfte.

Kritik kam auch seitens SPÖ und NEOS: Die SPÖ forderte ebenfalls Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler – also nicht nur für jene, die sich von Religion abgemeldet haben. Auch äußerte die SPÖ Zweifel daran, dass ausreichend ausgebildetes Personal zur Verfügung stehe. Dass Ethikfragen in Zukunft im konfessionellen Religionsunterricht behandelt werden sollen, sei „kein Ersatz für einen Ethikunterricht für alle“, monierte NEOS. Es gehe nicht um „entweder Religions- oder Ethikunterricht“. Aber Ethik „nur“ durch die Brille der Religion betrachtet greife einfach zu kurz.

Die FPÖ sprach sich hingegen für Ethik als Alternative zum Religionsunterricht aus und sah darin ausreichend Wahlfreiheit gegeben.

Neues Schulbuch

Die an der Wiener Evangelisch-theologischen Fakultät lehrenden Religionswissenschaftler Wolfram Reiss und Robert Wurzrainer sowie die Religionswissenschaftlerin und Ethiklehrerin Veronica Futterknecht und der Philosoph Ferdinand Ahuser erarbeiteten ein neues Schulbuch für das Fach Ethik.

„Vielfalt (er)leben“ lautet der Titel des im Trauner-Verlag erschienenen Schulbuchs, der auch beschreibt, wie die am Ethikbuch beteiligten Religionswissenschaftler den Ethikunterricht begreifen: Perspektiven unterschiedlicher Religionen kommen darin ebenso zu Wort wie nicht religiöse und philosophisch-ethische Positionen.

Schülerinnen und Schüler sollten im Ethikunterricht mit den Werten einer postsäkularen Gesellschaft respektvoll und tolerant umzugehen lernen, so einer der Mitautoren von „Vielfalt (er)leben“, Wurzrainer, im Interview der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Deshalb würden auch religiöse Positionen stärker im Ethikunterricht behandelt, als das in den bisher veröffentlichten Schulbüchern für den Ethikunterricht der Fall ist, so der Religionswissenschaftler und Ethiker.