Deutschland

Bischof: Vertrauen in Kirche „fundamental gestört“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat eine „fundamentale Störung des Vertrauens gegenüber der Kirche“ konstatiert. Die Antwort darauf sei der derzeitige Reformprozess der deutschen Katholiken, der Synodale Weg.

In einer auffallend selbstkritischen Ansprache vor etwa 200 Gästen sprach Bätzing in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem deutschen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble beim traditionellen St.-Michaelsempfang der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin von einer „Zeitenwende“ für die Kirche mit einem „schleichenden Relevanzverlust“. Der Limburger Bischof charakterisierte die Krise als eine „Phase der Disruption im umfassenden Bedeutungsgehalt von Störung, Auflösung, Erschütterung und Unterbrechung“.

„Zurückgehaltene Gutachten und bisweilen zögerliche Aufarbeitung verstärken diese Entwicklung und führen zu langen Wartezeiten für Austrittswillige.“ Damit spielte Bätzing auf den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki an, der ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen aufgrund von rechtlichen Bedenken zurückgehalten hatte.

„Innere Zerrissenheit“ sichtbar

„Entrüstung und Kopfschütteln“ habe auch das kürzlich durch den Vatikan erneut ausgesprochene Verbot der Segnung homosexueller Paare ausgelöst, sagte Bätzing. Offener Widerstand gegen die Weisung aus Rom sei das Ergebnis gewesen, was die „innere Zerrissenheit der katholischen Kirche“ für alle sichtbar illustriere.

Bischof Georg Bätzing an einem Redepult
APA/AFP/Fabian Sommer
Bischof Georg Bätzing sieht das Vertrauen in die römisch-katholische Kirche „fundamental gestört“

Wie in so vielen Bereichen der Gesellschaft habe die Coronavirus-Krise auch hier wie ein Brennglas gewirkt und Entwicklungen beschleunigt. Der Bedeutungsverlust der Kirchen sei in der Pandemie offen zutage getreten, etwa als auch christliche Parteien im vergangenen Frühjahr ohne weiteres den Verzicht auf Ostergottesdienste gefordert hätten. Der ohnehin deutlich spürbare Rückgang der Kirchensteuereinnahmen werde sich durch die Coronavirus-Krise verschärfen, was schmerzhafte Einsparprozesse nach sich ziehen werde.

Gläubige in Argumentationsnot

Bätzing konstatierte für die gesamte Gesellschaft eine „Zeitenwende“ und zitierte Papst Franziskus mit den Worten: „Wir erleben nun Dinge, deren Eintreffen wir uns nie haben vorstellen können: der Zusammenbruch der Umwelt, eine globale Pandemie, die Rückkehr der Populismen“. Es gehöre zu den Aufgaben der Politik, die nötigen Veränderungen zu gestaltet, so Bätzing. „Gerade heute, einen Tag nach der Bundestagswahl, ermutige ich Sie alle, diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen und dabei vielleicht auch Kraft und Hoffnung aus dem Glauben zu schöpfen“, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende.

Die Kirche pluralisiere sich „in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ und zum Teil in „unversöhnter Verschiedenheit“. Während beim „Synodalen Weg“ der Katholischen Kirche in Deutschland Reformen und Veränderungen gefordert würden, „gibt es mahnende Worte oder Klarstellungen der Römischen Kurie zu Fragen, die in unserer aufgeklärten und freiheitsliebenden Gesellschaft als längst beantwortet gelten“. Dies steigere „die Argumentationsnot vieler Gläubiger“.

Konkrete Hilfe ermutigend

Der „Synodale Weg“ sei in dieser Lage „die große Chance, mit der wir Antwort geben wollen auf die Herausforderungen der Gegenwart“. Beim derzeitigen Reformprozess geht es um die vier Punkte Position der Frau, katholische Sexualmoral, Umgang mit Macht und priesterliche Ehelosigkeit (Zölibat). Ebenso entscheidend sei aber auch, dass die Kirche den Menschen nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe begegne und eine positive Rolle in ihrem Alltag spiele.

Ein ermutigendes Beispiel dafür sei die von katholischer Seite geleistete Hilfe in den Flutgebieten gewesen. Hier sei die Kirche plötzlich wieder relevant gewesen und habe auch prompt öffentliche Anerkennung gefunden. Es sei diese „Kirche im Dienst der Menschheit“, die Zukunft habe, so Bätzing.