EGMR

Von Priestern missbraucht: Klage in Straßburg scheitert

Belgische Gerichte sind laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht dafür zuständig, Vorwürfen gegen den Vatikan nachzugehen. So urteilte das Straßburger Gericht am Dienstag (Az. 11625/17).

In Straßburg beschwert hatten sich 24 Menschen aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden, die allesamt angeben, als Kinder von katholischen Priestern sexuell misshandelt worden zu sein. Sie werfen dem Heiligen Stuhl, der vom Papst repräsentiert wird, strukturelle Probleme im Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche vor.

Ihr Menschenrecht auf ein faires Verfahren sei verletzt worden, weil belgische Gerichte sich der Vorwürfe nicht hatten annehmen wollen. Dieser Argumentation folgte der Menschenrechtsgerichtshof nicht. Gegen das mit einer Mehrheit von sechs zu eins gefällte Kammerurteil ist noch ein Appell an die Große Kammer möglich.

Staatenimmunität für Heiligen Stuhl

Der Heilige Stuhl in Rom habe Merkmale, die ihn völkerrechtlich einem Staat nahezu gleichstellten. Daher genieße er Staatenimmunität. Das heißt, Gerichte anderer Länder können ihn nicht verurteilen.

Die 24 Beschwerdeführende hatten in Belgien allerdings auch gegen einzelne Vertreter der katholischen Kirche geklagt – und waren damit ebenfalls gescheitert. Das liege an Formfehlern und könne Belgien nicht angelastet werden, urteilte nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Laut Mitteilung des Menschenrechtsgerichtshofs hätten unterdessen 20 der 24 Kläger eine Entschädigungszahlung durch die zuständige Missbrauchsschiedsstelle der katholischen Kirche in Belgien erhalten.

Debatte über Kindesmissbrauch seit 2010

Belgien wurde ab 2010 von einer Debatte über Kindesmissbrauch durch Geistliche erschüttert. Auslöser war der Rücktritt von Bischof Roger Vangheluwe von Brügge im April 2010, der gestehen musste, einen Neffen jahrelang sexuell missbraucht zu haben. Für Aufsehen sorgten auch später teils gerichtlich als illegal eingestuften Razzien der Behörden, darunter bei der belgischen Bischofskonferenz und mehreren Diözesen.

In einem 2012 unter dem Titel „Verstecktes Leiden“ veröffentlichten Dokument entschuldigten sich die belgischen Bischöfe und Ordensoberen für sexuellen Missbrauch durch Kirchenmitarbeiter. Man könne nicht rückgängig machen, was den Opfern widerfahren sei, betonten sie, übernehme aber die moralische Verantwortung und wolle alles unternehmen, um das Leiden der Betroffenen anzuerkennen und solche Taten künftig zu verhindern.

In den darauffolgenden Jahren wurden mehrere Millionen Euro an Schadenersatz und Kosten für Gerichtsverfahren an Missbrauchsopfer bezahlt. 2019 wurde zudem ein 400 Seiten umfassender Bericht einer Interdiözesanen Schutzkommission zu Missbrauch in der Kirche veröffentlicht.