Eine Martin-Luther-Statue vor der Kirche in Wittenberg
APA/dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
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EKD

Deutsche Evangelische wählen neue Führung

Auf der kommenden Sitzung ihrer Synode von 7. bis 10. November in Bremen wählt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine neue Führung. Der bisherige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm (61) tritt nicht mehr an.

Der bayerische Landesbischof war sieben Jahre lang das Sprachrohr des deutschen Protestantismus. Rund 20,2 Millionen Mitglieder zählen die evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Nach den Katholiken mit 22,2 Millionen Menschen ist die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die zweitgrößte Kirche im Land.

Deutschland ist das Mutterland der Reformation, vor 504 Jahren schlug Martin Luther seine Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche. Unter den lutherischen Kirchen weltweit ist die EKD eine Macht, auch im eigenen Land wird ihre Stimme gehört.

„Disziplinierter Umgang“ mit Pandemie

Zugleich hat sie mit den Problemen vieler Kirchen zu kämpfen, mit Bedeutungsverlust und Austritten. „In manchen Gegenden Deutschlands erfordert es heute Bekennermut, um sich als Mitglied der Kirche zu erkennen zu geben“, sagt Bedford-Strohm. Die Coronavirus-Krise macht es den Pastoren und Pastorinnen seit anderthalb Jahren schwer, ihre Gemeinden zu versammeln.

Auf die Lage der Kirchen unter der Pandemie will Bedford-Strohm in seinem Bericht eingehen. „Die Gemeinden und die Gemeindemitglieder sind diszipliniert mit der Lage umgegangen“, sagte der Sprecher. „Zur christlichen Nächstenliebe gehört auch Gesundheitsschutz.“ Aber die Gemeinden und ihre Gläubigen haben auf viele Angebote verzichten müssen, das tat weh.

Sexueller Missbrauch noch nicht aufgearbeitet

Mit Verspätung nach der katholischen Kirche hat das Problem von sexualisierter Gewalt durch Kirchenmitarbeiter auch die evangelische Kirche eingeholt. Die Aufarbeitung des Missbrauchs sieht der scheidende Ratsvorsitzende als eine unerledigte Aufgabe an. Dem Thema der sexualisierten Gewalt widmet die Synode einen ganzen Nachmittag mit Bericht eines Beauftragtenrates und einer Diskussion.

„Wir haben es versucht. Aber ich bin trotz aller Anstrengungen und allem Erreichten nicht zufrieden mit dem Ergebnis“, sagte Bedford-Strohm den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Freitagsausgaben).

„Moralische Fallhöhe“ sehr hoch

„Die EKD hat einen elf Punkte umfassenden Plan aufgestellt und ist ihn Schritt für Schritt gegangen. Dennoch ist es uns nicht gelungen zu vermitteln, dass wir das konsequent tun, und es ist uns vor allem auch nicht gelungen, das Vertrauen wiederzugewinnen, das verloren gegangen ist“, sagte der bayerische Landesbischof. „Die Fälle sexualisierter Gewalt in unserer Kirche belasten mich extrem.“ Er bedauere es daher sehr, „dass wir in meiner Amtszeit als Ratsvorsitzender trotz aller Anstrengungen nicht noch weitergekommen sind“.

„Es ist nachvollziehbar, dass wir als Kirchen gemeinsam im Fokus stehen, so unterschiedlich die Betroffenheiten jeweils sind. Die moralische Fallhöhe ist bei keiner anderen Institution so hoch.“ Es sei daher die Pflicht der Kirche, konsequent zu handeln, um künftige Risiken so weit wie möglich zu minimieren.

Mehrere mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger

Wer aber wird Nachfolgerin oder Nachfolger Bedford Strohms? Öffentliche Bewerbungen gelten als wenig statthaft. In Kirchenkreisen werden die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs oder die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, als mögliche Kandidatinnen genannt. Kurschus ist bereits stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende.

Auch der Berliner Bischof Christian Martin Stäblein oder der hessische Kirchenpräsident Volker Jung kämen in Frage. Ein EKD-Sprecher warnte aber vor Spekulationen: „Man kann die Dynamik einer Synode nicht absehen.“

EKD vor Generationenwechsel

Denn wenn die 128 Mitglieder des Kirchenparlaments in Bremen tagen, wird vieles neu oder anders sein. "Die Mitglieder der Synode treffen erstmals persönlich zusammen, sagte der Sprecher. Die Konstituierung im Mai hatte wegen Covid-19 noch online stattgefunden. Die Synode ist verjüngt worden, 20 Delegierte sind keine 26 Jahre alt. Erst 25 ist auch die neue Präses, die Studentin Anna-Nicole Heinrich aus Regensburg. Sie hat einen neuen Stil angekündigt. Der Klimawandel ist wichtiges Thema für sie. Heinrich „stellt einen Generationswechsel dar“, heißt es bei der EKD.

Auch um Finanzen wird es in Bremen gehen: Die EKD als Dachorganisation der Landeskirchen will ihre Zuwendungen für viele kirchliche Einrichtungen bis 2030 um 30 Prozent zu kürzen.

Insgesamt 15 Ratsmitglieder

An den Abstimmungen zur neuen EKD-Leitung nehmen die Mitglieder der Synode und der Kirchenkonferenz teil. In der Kirchenkonferenz sind die 20 Landeskirchen mit ihren leitenden Theologen und Verwaltungschefs vertreten. Jede Landeskirche hat eine Stimme.

Aus 21 Kandidaten und Kandidatinnen werden zunächst am kommenden Dienstag 14 Mitglieder im Rat der EKD bestimmt. Diesem obersten kollektiven Leitungsorgan gehören sowohl Theologinnen und Theologen – meist die Leiter einzelner Landeskirchen – wie Laien an. Die Präses der Synode ist das 15. Mitglied im Rat. Aus dem EKD-Rat werden Synode und Kirchenkonferenz dann am Mittwoch (10.11.) ein Mitglied zum oder zur neuen Ratsvorsitzenden wählen. Ein weiteres Mitglied wird Vize. Alle Gewählten müssen mindestens auf eine Zweidrittelmehrheit kommen.