Die neue EKD-Vorsitzende, Annette Kurschus
APA/AFP/Oliver Berg
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Evangelische

Kurschus zur neuen EKD-Ratsvorsitzenden gewählt

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wird zum zweiten Mal von einer Frau geführt. Am Mittwoch wählten die EKD-Synode und die Kirchenleitungen der 20 deutschen Landeskirchen die Präses der westfälischen Landeskirche, Annette Kurschus, für sechs Jahre zur neuen Ratsvorsitzenden.

Bei der Synode („Kirchenparlament“) in Bremen kam sie gleich im ersten Wahlgang auf die notwendige Zweidrittelmehrheit, wie die Synode mitteilte. Von 140 abgegebenen Stimmen erhielt sie 126 Ja-Stimmen, es gab vier Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen. Kurschus saß bisher als Präses der EKD-Synode Westfalens vor.

Als wichtigste Stimme im deutschen Protestantismus folgt Kurschus auf den bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Im EKD-Ratsvorsitz ist sie erst die zweite Frau nach Margot Käßmann (2009-2010). Kurschus (58) ist seit März 2012 westfälische Präses. 2019 wurde sie für weitere acht Jahre im Amt bestätigt. Seit 2015 war sie bereits stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD.

Haben „großen und kostbaren Auftrag“

„Die Erwartungen an Kirche sind immer noch und immer neu groß“, sagte Kurschus nach der Wahl. Das zeige sich selbst in mancher Kritik. Kirche solle Hoffnung geben. „Wir haben einen großen und kostbaren Auftrag in der Welt.“ Kirche habe „einen Ton in das Leben einzutragen, den sonst niemand einträgt.“

Deutschlandweit bekannt wurde Kurschus durch die Trauerfeier im Kölner Dom für die Hinterbliebenen des Germanwings-Absturzes 2015 in Frankreich. Bei der Flugzeugkatastrophe waren 150 Menschen ums Leben gekommen, darunter 16 Schüler und Lehrer einer Schule aus Haltern am See (Nordrhein-Westfalen). Kurschus beeindruckte in ihrer Predigt als einfühlsame Seelsorgerin.

Die Pfarrerstochter wurde 1963 in Rotenburg an der Fulda (Hessen) geboren. Sie studierte Theologie in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal und arbeitete als Pastorin. Von 2005 bis 2012 war Kurschus, die ledig ist und keine Kinder hat, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Siegen (Nordrhein-Westfalen).

Auch politisch positioniert

„Ich setze auf die Kraft geistlich-theologischer Akzente“, sagte Kurschus bei ihrer Bewerbung für den EKD-Rat. Zugleich hat sich die Theologin stets auch politisch positioniert. Für Geistliche mit Positionen der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) sieht sie in ihrer Landeskirche keinen Platz. Sie hat sich für eine menschenfreundliche Migrationspolitik und Seenotrettung im Mittelmeer ausgesprochen, für vielfältige Gemeinden und für eine klimaneutrale Kirche.

„Es kann uns nicht egal sein, was mit Fremden in unserer Gesellschaft passiert – es kann uns nicht egal sein, was an den vermeintlichen Rändern, an den Grenzen unserer Gesellschaft und unseres Landes passiert“, sagte Kurschus am Mittwoch in Bremen vor Journalisten. Das gelte ebenso auch „an den Grenzen Europas“.

„Wir haben alles dafür zu tun, dass die Menschenwürde hochgehalten wird“, fügte die 58-Jährige etwa mit Blick auf die aktuelle Lage an der polnisch-belarussischen Grenze an, wo hunderte Migranten festsitzen. Die Menschen müssten Zugang zu „geregelten Verfahren“ haben und generell „auf humane Weise“ behandelt werden, sagte sie.

Erstmals weibliche Doppelspitze

Zur stellvertretenden EKD-Ratsvorsitzenden wurde am Mittwoch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gewählt. Bei den viertägigen Beratungen der EKD-Synode spielte die stockende Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Bereich eine große Rolle. Das Kirchenparlament sagte Änderungen am Dienstrecht zu, um die Opfer gegenüber den Tätern zu stärken.

Der EKD gehören 20 lutherische, reformierte und unierte Landeskirchen an, die 20,2 Millionen Mitglieder in 13.200 Kirchengemeinden zählen. An den Wahlen zum Rat der EKD und zum Vorsitz nahmen die 128 Mitglieder der EKD-Synode und die Kirchenkonferenz teil. Die Kirchenkonferenz versammelt die leitenden Theologen oder Theologinnen und die Verwaltungschefs der 20 Teilkirchen.