Kinder auf einem Weg: Zwei Buben gehen Hand in Hand
Pixabay/Joshua Choate
Pixabay/Joshua Choate
Todesfall

Wie man Kindern beim Trauern hilft

Ob bei Familienfesten wie Weihnachten oder bei der bestandenen Führerscheinprüfung: Es gibt im Leben immer wieder Momente, in denen man sich bewusst wird, dass einem jemand fehlt, sagt die Psychotherapeutin Manuela Seidelberger. Bei vielen Kindern ist dieser jemand ein verstorbener Elternteil. Die Caritas Socialis hilft beim Trauern.

Das Wording ist wichtig, also die „richtigen Worte zu verwenden“, wenn es um den Tod eines Elternteils geht, sagt Seidelberger, die bei der Beratungsstelle Roter Anker der Caritas Socialis Kindern und Jugendlichen hilft, mit ihrer Trauer umzugehen. Man müsse den Kindern wirklich sagen, dass der geliebte Mensch gestorben ist. „Er ist nicht eingeschlafen“, sagt die Therapeutin im Gespräch mit religion.ORF.at. So ein falsches Wording sei „kontraproduktiv“, weil Kinder dann möglicherweise Angst vorm Schlafen entwickeln.

Der Rote Anker begleitet Familien und Kinder jeden Alters bei der Trauer. „Es sind auch schon Zweijährige mit dem Tod eines Elternteils konfrontiert“, etwa wegen einer Krebserkrankung oder eines Unfalls, sagt Seidelberger. Familien seien oftmals „auf sich alleine gestellt, trauern für sich und haben oft nicht die Kraft und Energie für die Kinder und Jugendlichen da zu sein“. Auch der verbleibende Elternteil brauche Betreuung. Der Rote Anker biete hier kostenlos Unterstützung.

Begleitung bereits im Sterbeprozess

Die Hilfestellung für die Familien sei sehr individuell. Manchmal begleite man auch schon das Sterben des Elternteils. „Das heißt, dass wir schon im Vorfeld, weil der Elternteil aufgrund einer Krebserkrankung vom mobilen Palliativteam oder bei uns auf der Palliativstation im CS Hospiz Rennweg betreut wird, hinzugezogen werden und psychotherapeutisch begleiten. Das kann oft auch Wochen, Monate vor dem Tod des Elternteils sein“, sagt Seidelberger.

Die Betreuung der Angehörigen könne einige Monate oder oft auch Jahre dauern. Man habe auch schon die Situation erlebt, dass Kinder, die etwa im Alter von fünf Jahren ein Elternteil verloren haben, nach mehreren Jahren erneut betreut werden, zum Beispiel wenn sie in der Pubertät sind und ihnen „der verstorbene Elternteil sehr abgeht“, sagt die Therapeutin. „Dann nehmen wir wieder die Betreuung auf.“

Zum Begräbnis begleiten

Teil der Betreuung kann es auch sein, die Familie zum Begräbnis zu begleiten und die Kinder vorab darauf vorzubereiten. Oft sind Familien nicht sicher, ob sie kleine Kinder zum Begräbnis mitnehmen sollen oder sind der Ansicht, ein solches sei kein Platz für Kinder. Doch mit dabei zu sein, sei für die Kinder wichtig, sagt Seidelberger.

Man müsse sie aber vorbereiten, ihnen erklären, „dass dort Personen sind, die weinen, die traurig sind“, dass es dort einen Sarg gibt, in dem der Verstorbene liegt. „Wenn man das den Kindern erklärt, dann können sie sich ungefähr ein Bild machen, was passieren wird. Die Vorbereitung auf diese Situationen ist meiner Meinung nach ganz wichtig.“

Malen, basteln und reden

Der Rote Anker bietet auch Trauergruppen an: In der Mini-Trauergruppe werden Kinder bis zum sechsten Lebensjahr betreut, in der Kindertrauergruppe kommen Sechs- bis Zwölfjährige zusammen und parallel dazu findet eine Elterntrauergruppe statt, in der sich Mütter und Väter austauschen können. Seidelberger, die die Kindergruppen betreut, ist es wichtig, dass die Kinder „zu nichts gezwungen werden“. Die Kinder „dürfen erzählen, wenn sie erzählen wollen“, aber sie müssen nicht.

Erwachsener und Kind zeichnen
Pixabay/Evgeni Tcherkasski
Auch sehr junge Kinder können bereits mit dem Tod eines Elternteils konfrontiert sein, sie trauern anders als Erwachsene

Bei den Kindern wird die Trauerbewältigung auch spielerisch angegangen. Es wird nicht nur geredet, sondern gemalt, gebastelt, gelesen und Bewegung gemacht. Mithilfe eines großen Puppenhauses können Kinder etwa „die ein oder andere erlebte Szenen darstellen“ oder mit dem Gefühlswürfel, auf dem unterschiedliche Gefühle dargestellt sind, ihre Emotionen ausdrücken.

„Ich kann mich an eine nette Situation erinnern, wo ein 8-Jähriger zu mir gesagt hat: Manuela, das ist eigentlich keine Trauergruppe, eigentlich ist es eine Gefühlsgruppe, weil wir lachen hier auch.“ Es sei wichtig, dass die Kinder merken, dass man auch fröhlich sein darf, „auch wenn die Situation eine traurige ist“, sagt Seidelberger zu religion.ORF.at.

Kinder trauern anders

Kinder trauern unterschiedlich und grundsätzlich anders als Erwachsene. „Es gibt Kindertrauer und es gibt die Erwachsenentrauer. Bei der Kindertrauer könnte man auch sagen, es ist sogenannte Pfützentrauer. Kinder weinen in dem Moment quasi die Pfütze voll und im nächsten Moment denken sie wieder an irgendetwas Schönes, an den Besuch beim Freund am Nachmittag, ans Eis essen gehen“. Es sei wichtig, dass Angehörige das wissen.

Dem verbliebenen Elternteil rät Seidelberger „sehr viel“ mit dem Kind zu reden bzw. zu spielen – je nach Alter. Wie man das gut schafft, während man in einer herausfordernden Situation ja selbst mit der eigenen Trauer kämpft, können Eltern beim Roten Anker lernen.

Papa „wäre stolz auf mich“

Der Verlust eines Elternteils begleitet Betroffene gewissermaßen ein Leben lang. Manche Kinder waren beim Tod des Vaters oder der Mutter so jung, dass sie gar nicht so sehr den Menschen vermissen können, weil sie ihn gar nicht richtig gekannt haben. Aber sie vermissen es, einen Vater oder eine Mutter zu haben. „Es wird immer wieder Situationen geben, wo man sich gewünscht hätte, oder wünscht, dass derjenige da ist“, sagt Seidelberger.

Mit der Tatsache, dass dieser jemand fehlt und mit der damit verbundenen Trauer umgehen zu lernen, um nicht nachhaltig von ihr überwältigt zu werden, darum geht es in der Trauerarbeit. Kinder, Jugendliche und wohl auch Erwachsene würden mit der Zeit lernen mit dem Fehlen der Bezugsperson umzugehen, wie Seidelberger erzählt. Sie sagen sich dann: „Ok, ich weiß, dass mein Vater nicht bei der Maturafeier dabei sein wird, aber er wäre stolz auf mich.“