Impfung in einer deutschen Kirche
APA/dpa/Christian Charisius
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D: Bischöfe sehen Impfung als „moralische Pflicht“

Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat alle Menschen in Deutschland zur Impfung gegen das Coronavirus aufgerufen. „Impfen ist in dieser Pandemie eine Verpflichtung aus Gerechtigkeit, Solidarität und Nächstenliebe. Aus ethischer Sicht ist es eine moralische Pflicht.“

Das hieß es in einer von der katholischen Bischofskonferenz in Bonn (Montag) verbreiteten Mitteilung. Die Impfung sei das wirksamste Mittel, sich selbst und andere zu schützen. Zugleich forderten die Bischöfe, die nötigen Hygienemaßnahmen einzuhalten. „Wir alle wünschen uns die Freiheiten im alltäglichen Leben wie in den Zeiten vor Corona zurück. Dazu müssen wir uns aber gemeinsam – und zwar jede und jeder in diesem Land – einsetzen“.

Der Ständige Rat, der derzeit in Würzburg tagt, verwies zudem auf den Appell von Papst Franziskus, der am Weltgesundheitstag betont hatte: „Wir alle sind aufgerufen, die Pandemie zu bekämpfen. In diesem Kampf stellen die Impfstoffe ein wesentliches Instrument dar.“ Auch österreichische Bischöfe und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften und Konfessionen riefen die Menschen auf, sich gegen schwere Krankheitsverläufe mit einer Impfung zu wappnen.

Dresdner Bischof für Impfpflicht

Sachsen ist aktuell das deutsche Bundesland mit der niedrigsten Impfquote (knapp unter 60 Prozent) und der höchsten Inzidenz von etwa 960. Seit Montag gilt ein Teillockdown mit weitreichenden 2G-Regelungen. Gottesdienste dürfen nur unter 3G-Auflage stattfinden.

Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers sprach sich mit Blick auf die aktuelle Lage in einem Interview den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ für eine Impfpflicht aus. „Ich sehe, dass der Staat im Moment noch mit dem milden Mittel der Überzeugung versucht, die Verantwortung beim Einzelnen zu belassen. Ich halte es ethisch aber vertretbar, eine Impfpflicht einzuführen“, so Timmerevers. „Wo die eigene Freiheit um den Preis der Gefährdung anderer definiert wird, macht sie unser gesellschaftliches Solidarsystem kaputt und ist Egoismus mit Scheuklappen für die Not des Anderen.“

Keine Abschätzigkeit gegenüber Nichtgeimpften

Zugleich betonte der Bischof der Diözese Dresden-Meißen, dass für medizinische Notfälle der Impfstatus keine Rolle spielen dürfe. Es könne sein, dass dies dem Gerechtigkeitsempfinden vieler widerspreche: „Aber ich kenne keinen Zusatz im Grundgesetz, dass die Würde des Menschen nur für Geimpfte gilt. Und christlich gesprochen wurzelt diese Haltung zutiefst in der Nächstenliebe ohne Ansehen der Person. Im Ernstfall muss gelten: Vor aller Leistung und trotz aller Schuld.“

Die Pandemie sei ein „Charaktertest“, hob Timmerevers hervor. „Ich wünsche mir eine Bereitschaft der Menschen, die sich bisher nicht impfen lassen haben, ihre Haltung zu überdenken und aus der Verantwortung für den anderen und für die Gesellschaft sich impfen zu lassen. Und ich wünsche mir von jenen, die schon geimpft sind, dass sie nicht abschätzig auf die anderen herabschauen, sondern sie ermuntern, Freiheit und Verantwortung zusammenzudenken.“

Ethiker: Impfpflicht kaum vermeidbar

Eine allgemeine Impfpflicht angesichts steigender Infektionszahlen für kaum vermeidbar hält der Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl. „Die kollabierende intensivmedizinische Versorgung führt heute schon zu extremen, manchmal sogar tödlichen Unterversorgungen anderer schwerer Erkrankungen“, sagte er in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

„In diesem Fall muss das Selbstbestimmungsrecht zurückstehen. Es würde andere zumindest mittelbar töten“, so der Professor an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin, der dem Deutschen Ethikrat angehört.

„Unabsehbare Dynamik dieser Pandemie“

Dass das Versprechen politischer Entscheidungsträger, es werde keine Impfpflicht geben, nun möglicherweise gebrochen wird, führte der Ethiker auch auf die „unabsehbare Dynamik dieser Pandemie“ zurück. „Wenn sich Sachverhalte gravierend ändern, dann ändern sich möglicherweise auch die ethischen und politischen Konsequenzen.“

Freilich gehe es um „sehr wichtige moralische und rechtliche Güter“, sagte Lob-Hüdepohl weiter. „Deshalb dürfen rechtlich sanktionierte Impfpflichten, wie wir sie von den Pockenschutzimpfungen kennen und die heute für die Masernschutzimpfungen gelten, nur als letztes Mittel eingesetzt werden.“ Das sei jetzt etwa für ärztliches und pflegerisches Personal oder Hausangestellte dringend geboten.