Eingang zur Impfstraße im Stephansdom
APA/Herbert Neubauer
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Theologe

„Profanierung“: Kritik an Impfstraßen in Kirchen

Vor einer „Profanierung des Sakralen“ durch die Einrichtung von „Impfstraßen in Kathedralen“ warnt der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück. Der Advent sei heuer in besonderer Weise in seiner Botschaft verstellt durch die Coronavirus-Pandemie.

Gerade die Advent- und Weihnachtszeit sei ein willkommener Anlass, neu über die Gegenwart Gottes nachzudenken, die sich in christlicher Lesart unüberbietbar im Kind in der Krippe und damit in Schwachheit und Verletzlichkeit zeige. „Von dieser Hoffnung auch heute zu sprechen und das Friedenspotenzial des Advents freizulegen, das wäre heilsamer als die Profanierung des Sakralen voranzutreiben und Impfstraßen in Kathedralen zu errichten", als gäbe es dafür nicht andere Orte“, so Tück in einem Gastbeitrag in der „Kleinen Zeitung“ (Print-Sonntagausgabe).

Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück
Kathbild/Franz Josef Rupprecht
Der Theologe Jan Heiner Tück übt Kritik an der Errichtung von Impfstraßen in Kirchen

Die Kirche solle sich in Spitälern um Kranke kümmern – schließlich seien ihr „Leib- und Seelsorge gleichermaßen wichtig“, ergänzte der Theologe. „Aber Kathedralen sind Statthalter des Heiligen in dieser Welt, sie sollten nicht als verlängerter Arm staatlicher Gesundheitspolitik missbraucht werden.“

Kritik an Dompfarrer

Geistliche könnten zwar für die Impfung werben, so der Theologe weiter, „aber sie verfehlen ihre Mission, wenn sie öffentlich kundtun, für Ungeimpfte kein Mitleid zu haben. Compassion sieht anders aus“, kommentierte Tück Aussagen des Wiener Dompfarrers Toni Faber. Dieser hatte zuletzt gegenüber dem Sender „oe24.tv“ geäußert, er achte zwar die Entscheidung jedes Einzelnen, er habe aber „kein Mitleid“ mit Ungeimpften.

Adventbotschaft verstellt

Der Advent sei heuer in besonderer Weise in seiner Botschaft verstellt durch die Coronavirus-Pandemie. „Freude will nicht so recht aufkommen. Das Virus spaltet (…), die viel beschworene Ambiguitätstoleranz schwächelt“. Wie solle in dieser Situation „Gott zu uns kommen können? Und wir zu ihm?“ – dies sei die Frage, die der Advent heuer stelle.

Wer es dennoch schaffe, ruhig zu werden und „in der lauten Wüste der Informations- und Empörungsgesellschaft“ die „Antennen aus(zu)fahren“, der könne selbst in der Botschaft von Weihnachten Gott als verborgenen, als vermissten Gott wiederentdecken: „Der Gott, von dem die Lesungen im Advent erzählen und dessen Geburt an Weihnachten gefeiert wird, kommt nicht laut und präpotent, sondern leise, verletzlich und schwach. Dieser Gott ist nicht in Kategorien der Stärke zu buchstabieren.“