Smartphone mit Tik-Tok-Portal eines philippinischen Priesters, Symbolfoto Religion im Netz
APA/AFP/Jam Sta Rosa
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Religionswissenschaft

Neue religiöse Autoritäten im Netz

Religiöse Autorität wird im Internet auch anderen Menschen zugeschrieben als in der realen Welt. Wie die deutsche Religionswissenschaftlerin Anna Neumaier der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläuterte, wird im Netz die formale Ausbildung einer Person zweitrangig.

Stattdessen seien je nach Zielgruppe die argumentative Überzeugungskraft, die Kenntnis religiöser Quellen oder die Glaubwürdigkeit wichtiger, so die Expertin im Interview. Diese Entwicklung ermögliche es Frauen und Minderheitengruppen, stärker in den Vordergrund zu treten, besonders in der katholischen Kirche.

Neumaier ergänzte aber, dass man im Netz ebenso beispielsweise Pfarrer oder andere Menschen finde, denen traditionell religiöse Expertise zugesprochen wird. Neumaier bezog sich im Interview vor allem auf religiöse Kanäle und christliche Angebote auf Social Media wie Instagram, Twitter, Facebook und TikTok.

Konfessionszugehörigkeit nicht so wichtig

Dort würden seltener als auf anderen Internetkanälen traditionelle Offlineformate kopiert, so die Leiterin des Kompetenzzentrums Digitale Religiöse Kommunikation der Universität Bochum. Sie sieht bei diesen innovativen digitalen Kanälen große konfessionelle Ähnlichkeiten.

„Bei vielen Angeboten online kann man beobachten, dass deren Formsprache religionsunabhängig geprägt ist, nämlich von der üblichen Ästhetik der Plattformen“, erklärte Neumaier. „Dazu kommt: Influencerinnen und Influencer bezeichnen sich teilweise selbst einfach als Christen.“ Die Konfessionszugehörigkeit spiele gerade für die junge Generation keine große Rolle.

„Hemmschwelle sinkt“

Neumaier sieht Anzeichen dafür, dass religiöse Praxis sich durch das Internet verändert. Ähnliches sei vor Jahrzehnten bei Fernseh- und Radiogottesdiensten zu beobachten gewesen. Ein Beispiel aus ihrer Forschung: Menschen, die an Onlinegottesdiensten teilnehmen, verhalten sich anders als in analogen Gottesdiensten.

„Die Hemmschwelle sinkt, sich in die Gottesdienstgestaltung einzubringen, zum Beispiel Fürbitten zu verlesen, wenn man nicht aufstehen und nach vorne gehen muss, sondern in seinem Wohnzimmer sitzt“, sagte die Expertin.