München

Benedikt XVI. befürwortet Missbrauchsgutachten

Der frühere Papst Benedikt XVI. hat nach Angaben seines Sprechers die Erstellung eines Gutachtens über Missbrauchsfälle im Erzbistum München und Freising aktiv unterstützt. Das einstige Bistumsoberhaupt befürwortet auch dessen geplante Veröffentlichung.

Benedikt XVI. werden selbst Versäumnisse in einem Missbrauchsfall vorgeworfen. Das frühere Oberhaupt des Erzbistums habe Fragen beantwortet und „mit einer umfangreichen Stellungnahme zur Aufarbeitung beigetragen“, teilte der Sprecher von Benedikt XVI., Georg Gänswein, der „Bild“-Zeitung (Freitagausgabe) mit.

Benedikt wünsche „im Interesse der Opfer und Betroffenen von Fällen sexuellen Missbrauchs eine gute, lückenlose und erfolgreiche Aufarbeitung“, erklärte Gänswein demnach weiter. Die Schicksale der Missbrauchsopfer gingen dem emeritierten Papst „sehr zu Herzen“. Er begrüße „die Aufarbeitung in München sowie die Veröffentlichung des Gutachtens“.

Benedikt XVI. verfasste 82 Seiten Stellungnahme

Das Erzbistum München und Freising hatte bei der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sexuellen Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker und hauptamtliche Bedienstete der Diözese aufarbeitet. Es geht um den Zeitraum von 1945 bis 2019. Der spätere Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, war von 1977 bis 1982 Münchner Erzbischof.

Das Gutachten der Anwaltskanzlei wird am kommenden Donnerstag vorgestellt. Eine Woche später will die Erzdiözese dazu Stellung nehmen. Die mutmaßliche Verwicklung Ratzingers in einen Fall von Vertuschung wird laut dem Bericht der „Bild“-Zeitung in einem Sonderband umfassend dargestellt. Dieser Teil des Gutachtens umfasse 350 Seiten. Benedikt XVI. habe auf schriftliche Fragen der Kanzlei hin eine 82-seitige Stellungnahme verfasst.

Neue Anlaufstelle für Missbrauchsopfer

Brisant an dem Gutachten ist, dass im Untersuchungszeitraum 1945 bis 2019 neben Ratzinger weitere prominente Kirchenmänner an der Spitze der Münchner Erzdiözese standen: die Kardinäle Friedrich Wetter (1982-2007) und Reinhard Marx (seit 2008), zudem Michael Faulhaber (1019-1952), Joseph Wendel (1952-1960) sowie Julius Döpfner (1961-1976).

Mit der Veröffentlichung des Gutachtens nimmt auch eine neue Anlaufstelle der Erzdiözese München und Freising für Missbrauchsbetroffene ihre Arbeit auf. Diese werde mit bis zu sechs erfahrenen Psychologen und Psychotherapeuten aus den Beratungsdiensten der Erzdiözese besetzt, hieß es. Man folge damit einer Empfehlung des Betroffenenbeirats und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission.

Kanzlei erstellte auch in anderen Diözesen Gutachten

Das Gutachten der Münchner Anwälte soll mögliche systemische Defizite benennen, außerdem Fehler im Handeln Verantwortlicher. Die Münchner Kanzlei war bereits in zwei anderen deutschen Diözesen als Gutachter tätig. In Aachen wurde ihre Untersuchung veröffentlicht, in Köln nicht. Der dortige Kardinal Rainer Maria Woelki machte methodische Mängel und äußerungsrechtliche Probleme geltend und beauftragte eine andere Kanzlei.

Bereits 2010 hatte WSW ein erstes Missbrauchsgutachten für die Erzdiözese München erstellt. Auch dieses wurde nie komplett veröffentlicht. Zur Begründung verwies die Diözesanleitung auf den Datenschutz.

Kirchenrichter orten Versäumnisse

Kirchenrichter hatten zu Jahresbeginn laut einem Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ Versäumnisse des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. noch aus seiner Zeit als Erzbischof und später als Präfekt der Glaubenskongregation in einem Missbrauchsfall festgestellt. Benedikt XVI. weist die Vorwürfe zurück.